Freitag, 23. Oktober 2009

Bekanntschaft mit zwei Generälen

Von den weniger erbaulichen Dingen, die die Russen in ihrer Geschichte veranstaltet haben zurück zur Gegenwart und zu den angenehmeren Teilen. Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass ich bislang noch keiner – nennen wir es offener Abneigung – begegnet bin, nur weil man in mir den Ausländer schon von weitem erkennt. Die etwas reservierte Haltung mir gegenüber würde ich eher auf den seltsamen Charakter der Russen (oder Moskauer) zurück führen, jedem zunächst seltsam kalt zu begegnen. Entgegen dem Ratschlag meiner besten Freundin so wenig wie möglich russisch zu sprechen, da man ansonsten sofort merkte, dass ich Ausländer wäre, und mir somit die kalte Schulter zeigen würde, habe ich trotz massiven Russischgebrauchs keine derartige Erfahrung gemacht. (Toi toi toi). Ich muss ja auch nicht erst den Mund aufmachen, um erkennbar zu machen, dass ich nicht von Kind an in Moskau aufgewachsen bin. Ich trage schließlich weder eine pinke Jogginhose mit dazugehörigem hellblauen Oberteil und roten Turnschuhen, noch hänge ich von früh bis spät mit meinen Kumpels an dem einschlägigen Stellen herum, um mich mit Wodka vollaufen zu lassen. Meine Turnschuhe sind weiß und getrunken wird im Hotel.
Nein, im Gegenteil zu den düsteren Voraussagen erklärte mir die Dönerfrau freundlich das „Döner“ im Russischen „Kebab“ hieße – hätte ich selbst drauf kommen müssen – bei der Museumsfrau hieß ich liebevoll „молодчик“ - Jüngchen. Die schönste Erfahrung in dieser Beziehung bot mir allerdings der General Vassilij.
Kurz bevor wir uns bei Memorial trafen, ruhte ich mich im Garten der Erimitage ein wenig aus. Links auf einer Bank neben mir war eine Gruppe von drei lärmenden, trinkenden Russen und einer weniger lauten Russin dabei, sich in aller Fürsorgepflicht zueinander gegenseitig mit Sekt und Wein zu versorgen. Auf der Bank zu meiner Rechten saß aber General Vassilij, den ich bis dato jedoch noch nicht als solchen erkannte. General Vassilij ließ sein Taschentuch fallen und bevor er sich bücken konnte war ich mit einem tollkühnen Hechtsprung zur Stelle und hob es in aller mir immer eigenen Ritterlichkeit auf. Er bedankte sich brav auf Englisch (meine weißen Turnschuhe haben mich sicher als Touristen enttarnt) ich aber antwortete in einem Anflug von jugendlichem Hochmut auf Russisch. Da sah er mich ein wenig erstaunt an und fragte mich ob ich Russisch spräche. Ich wollte schon antworten: „Nein, wissen Sie, die eben gesagten Worte sind mir im Traum erschienen.“ aber das entspräche nicht meiner unglaublichen Liebe zu allen meinen Mitmenschen. Also sagte ich nur kurz, dass ich es nur studiere, aber da war er schon ein wenig gerutscht und forderte mich auf sich neben ihn zu setzen. Es entspann sich ein nettes Gespräch, in welchem er immer, wenn er etwas für ihn unerfreuliches erzählte mit Nachdruck mit seinem Spazierstock dreimal heftig auf den Boden klopfte. Am Ende wusste ich nicht nur, dass er die 80 schon seit sieben Jahren überschritten hatte, dass er Panzergeneral im Krieg war und dass er nach dem Krieg als Konzertviolonist durch Deutschland tourte. Nein, in der halben Stunde lernte ich auch noch seine Frau sowie seine Urolgin kennen. Ich glaube viel tiefer kann man innerhalb von 30 Minuten nicht in einen Menschen eindringen. Das lieblichste an General Vassilij war jedoch, dass er der trinkenden Jugend ein ums andere Mal mit seinem Gehstock an den Kragen wollte, weil er deren Sprache nicht ertrug: Schließlich war doch eine Frau dabei, wie konnte man denn da so unmöglich reden?! (Mir ging eher der Krach sowie Geruch gegen den Strich, aber gut.)
Des Weiteren schaute er jeder Frau hinterher, die sich im Alter zwischen 18 und 90 Jahren bewegte. In Gedanken überließ ich ihm die Fraktion Ü30 und vergnügte mich mental mit dem Rest. Es war wie Großvater und Enkel.
Soviel zur Abneigung gegenüber Ausländern.

Vielleicht noch ein Nachtrag zu Memorial: Russlands größte NGO arbeitet in Räumen, die bis zur Decke mit Dokumenten vollgestopft sind. Mitarbeiter müssen sich teilweise Tisch und zuweilen auch – kein Scherz – Stuhl teilen. Die Räume sind winzig. Das ganze Gebäude ist, sagen wir, überschaubar.
Wir nahmen zunächst im Gulag-Archiv Platz. Im Halbkreis, auch auf dem Boden sitzend. Wir hatten an diesem Tag doppeltes Glück: Wir erhielten nämlich einen Einblick in das Gulag- und das Dissidentenarchiv; ein fünf Quadratmeter großer Raum, ebenfalls mit Akten bis zur Decke. Die Herrin des Raumes taute unendlich auf, als sie merkte, dass wir auch wirklich interessiert waren (zumindest diejenigen von uns, die einen etwas ausführlicheren Schlaf bekommen hatten). Sie konnte uns unglaubliche Dinge aus der Dissidentenbewegung zeigen und erzählen. Winzige Papierrollen, die im Samizdat' von Hand zu Hand gereicht wurden. (Samizdat' bezeichnet die Weitergabe von verbotenen Werken unter der Hand; oftmals auch die Kopie selbiger – per Hand. Sam-Izdat': selbst herausgeben)
Außerdem konnte die Dame nette Geschichten von einem gewissen General Piotr Grigorenko erzählen. Grigorenko war eine Person, über die ich ein paar Worte verlieren muss. Der Knabe war mit einer gehörigen Portion Humor und Ironie ausgestattet. Bei Kriegsausbruch kurzerhand aus der Militärakademie an die Front geschickt, kletterte er munter die Karriereleiter bis zum General hinauf. Den ersten Kontakt mit dem Burschen hatte ich in Zusammenhang mit meiner Hausarbeit über die Krimtataren. Urplötzlich aus dem Nichts auftauchend hielt er 1968 vor einer Versammlung von Krimtataren eine flammende Rede für Meinungsfreiheit und Menschenrechte. (Ich glaube jetzt kann man ahnen, in welche Richtung es geht.) Dabei sollte eigentlich sein Kumpel diesen Part übernehmen. Nur lag dieser wegen einer Grippe im Bett. Von diesem Moment an taucht Grigorenko an allen möglichen und unmöglichen Ecken des Landes auf. Ich werde das Gefühl nicht los, dass alles, was ihm gegen den Strich ging nicht vor ihm sicher war. Und das war eine Menge.
Und damit zurück ins Archiv (natürlich besteht hier keinerlei Zusammenhang, aber irgendwie muss ich ja zurück.) Tatjana – die Dissidentenarchiv-Chefin – zeigte uns ein Photo von Piotr dem alten Haudegen. Auf selbigem sieht man ihn von der Hüfte aufwärts. Er hat eine schicke Uniform an und ist mit allen Abzeichen behangen, die jemals zwischen Smolensk und Vladivostok hergestellt wurden. Eigentlich ein durchaus plausibler Grund für Stolz. Nur spiegelt sein Gesichtsausdruck weniger Stolz, sondern eher Ironie und Sarkasmus wider. Das Lächeln ist wirklich ironisch. Fast so, als wollte er sagen: „Schick, nicht wahr? Die Orden sehen doch aus wie echt, findet ihr nicht? Sie sind aber nur aus Holz. Hat mein Sohn in der Grundschule bemalt. Machen wir noch eine Frontalaufnahme?“ Tatjana konnte uns den wahren Grund für dieses spitzbübische Lächeln erklären: Der Held der Sowjetunion und mehrfach ausgezeichnete General Piotr Grigorenko trug zur beladenen Militärjacke eine schlichte Pyjamahose. Ich denke, dass zeigt seine Einstellung zum Militär.
Ja, so einer war unser wackerer Recke. Er verabscheute in späteren Jahren die unmenschlichen Umgangsformen der UdSSR, ließ sich in Pyjamahosen ablichten (übrigens das einzige Photo von ihm in Uniform) und stellte sich auch schon mal munter „Kalinka“ vor sich herpfeifend vor eine Fabrik und verteilte selbst gedruckte Flugblätter mit seinen Söhnen. Irgendwann wurde es der Sowjetführung dann aber doch zu bunt, und sie steckten ihn in ein Krankenhaus für psychisch ein wenig entrückte Menschen. Ein sehr beliebtes Mittel damals, um Dissidenten zu bestrafen und vor weiteren Torheiten zu bewahren. Man beachte nur einmal den symbolhaften Charakter.
Ich bezweifle in keiner Weise, dass der Gute ein interessanter Fall für den Psychiater war („Und Sie haben tatsächlich alle 5000 Flugblätter per Hand geschrieben, Herr Grigorenko?“), aber er war in erster Linie ein beeindruckender Charakter, der Muts genug war, sich gegen ein System zu stellen, das dem kleinsten Anflug von Opposition mit massiven Repressionen Einhalt gebot.
Und Tatjana hat Herrn Grigorenko in seinem Haus besucht. Ich war total begeistert.

Wir trafen noch Frau Irina Schtscherbakova, die uns zuvor einmal in Heidelberg besuchte, und erhielten noch einen kurzen Einblick einer Expertin in die aktuelle Lage im Kaukasus. Offensichtlich standen einem jeden von uns noch die nächtlichen Strapazen ins Gesicht geschrieben, denn wir wurden des Öfteren gefragt, ob wir sehr müde wären. So eine Nacht in einem Moskauer Hotel kann aber auch verdammt lang und feuchtfröhlich werden.
Mir jedoch ging es äußerst gut (zweifelsfrei auf eine schier übermenschliche Fitness zurückzuführen) und ich war voller Tatendrang. Aber auch voller Leere in der Magegend. Wir aßen schließlich in einem kaukasischen Restaurant (welch Ironie) und machten uns dann auf ins Hotel. Ich ließ die Nacht bei ein wenig Wodka und einem netten Gespräch in Sarahs Zimmer langsam ausklingen.

Samstag, 10. Oktober 2009

Sacharov Museum und Handtaschensport

04.09.2008, Donnerstag.

Mein Morgenablauf lässt sich am dritten Tag getrost als "routiniert" bezeichnen: Mit dem Bewusstsein aufwachen, dass am Abend zuvor den russischen klaren Flüssigkeiten reichlich zugesprochen wurde, duschen (um das Gefühl im Kopf zu verabschieden) und dann ab zum Frühstück. Gleich danach wieder rauf und beim Zähneputzen am Fenster die Stadt mit einem Liedchen (wahlweise die russische Hymne oder die Internationale) und einer kleinen Rede begrüßt.
Heute kam zu dem ganzen Ablauf noch das herrliche Gefühl dazu einer von wenigen zu sein, bei denen sich der Kater in überschaubaren Grenzen hält. Ein paar unserer Truppe waren bin 04:30 Uhr unterwegs.
Der erste Punkt heute ist das Andrej Sacharov Museum / Gedenkstätte. Andrej Sacharov war ein äußerst angesehener Wissenschaftler in der Sowjetunion, der ab einem gewissen Zeitpunkt in die Schusslinie der Offiziellen geriet, weil er sich der Dissidentenbewegung zugewandt hat. Heute hat die Gedenkstätte massive Probleme mit der Stadtführung und steht kurz vor dem Schließen. Das Museum zeigte eine Ausstellung, die den orthodoxen Fantikern - und das meine ich jetzt todernst - unorthodox erschien. Prompt hatte das Haus eine Klage am Hals, dann kein Geld mehr, und jetzt sind wir wahrscheinlich eine der letzten Gruppen, die die Gelegenheit bekommen sich das Museum anzuschauen und mit den Leitern zu sprechen.

Die Metrofahrt ist ein beschauliches Erlebnis. Zu den Stoßzeiten (ca. 8 - 10 und 16 - 20 Uhr) scheint ganz Moskau sich zu einem netten Stelldichein in den Katakomben der Metro zu versammeln. Dass es dabei sehr eng zugeht haben Sie vielleicht schon erraten. Wie eng es ist können Sie sich leider nur denken. Stellen Sie sich eine, na sagen wir mittelmäßig besuchte Fußgängerzone in Honkong vor. Sie haben jetzt hoffentlich dieses Bild vor Augen, in dem ein bunter Haufen Asiaten vor einer Fußgängerampel steht und auf grün wartet. Nehmen Sie nun diesen Haufen, addieren ein paar höher gewachsene Russen (durchaus auch nach der vergangenen Nacht riechend) und sperren Sie ihn nun in eine 3*5m große U-Bahnhaltestelle vor zwei Rolltreppeneingänge.
Kleiner Tipp: Sollten Sie nach Moskau kommen, ziehen sie keine weißen Schuhe an.
Diese Menschenmasse bewegt sich in nur eine Richtung und wenn sie in eine andere wollen haben Sie verloren.
Das Erstaunliche aber ist, dass alles in einer fast beängstigenden Ruhe vor sich geht. Zwar wird geschoben und gedrängelt als gäbe es am Ende der Treppe gratis Wodka, aber keiner flucht oder schickt den Passanten böse Verwünschungen hinterher.
Und das Beste ist meiner Meinung nach der ungeheure Spaß, den man haben kann. Ich habe von Mutter Natur ein Paar zwar schlacksiger, aber dafür unerhört langer Arme bekommen. Als Kind wusste ich nicht viel damit anzufangen und meine bewusste Kontrolle über diese meine Arme war begrenzt. Daraus resultierten dann der ein oder andere gebrochene Finger.
Spätestens seit Moskau jedoch habe ich den tieferen Sinn entdeckt: In diesem unglaublichen Gedränge ist es ein Heidenspaß die Inhalte von Frauenhandtaschen zu vertauschen. Bevor Sie mir jedoch kriminelle Charakterzüge unterstellen möchte ich erwähnen dürfen, dass der Anstoß zu diesem (anstößlichen) Sport unfreiwillig kam. In eben solch einem Menschenknäuel schlenkern meine Arme immer in irgendwelche Handtaschen hinein und wenn ich sie verdutzt herausziehe hängt vielleicht ein Teddybär, ein Lippenstift, Spiegel, Pfefferspray oder sonst ein lustiges Gerät mit daran. Tja, und eh ich mich's verseh liegt es auch schon in einer anderen Handtasche. Denn die ehemalige Besitzerin wurde vom Menschenstrom weiter gezogen und an ihre Stelle tritt eine neue Frau - mit Handtasche. Nun ja, und jetzt betreibe ich diesen Sport bewusst. Wobei ich versuche Portemonnaies immer in die richtige Handtasche zurück zu geben - natürlich nicht ohne vorher einen 10 Rubelschein mit hineingesteckt zu haben.

Das Musem derweil war von äußerster Übersichtlichkeit und wunderbar. Menschenrechtler in Russland haben leider einen schweren Stand und so ist das 1996 gegründete Sacharov Museum auch nicht viel größer als ein Einfamilienhaus. Die Ausstellung befindet sich in der ersten Etage und ist jedem zu empfehlen, der ein wenig russisch kann. Es ist eine düstere Epoche der russischen Geschichte gezeigt (sprich: die russische Geschichte von den Anfängen bis heute) und es dreht sich vor allem um die Zeit des großen Terrors unter Stalin. Mit Hilfe der NGO Memorial hat es die Sacharov Gedenkstätte geschafft Listen der in Moskau Erschossenen und Verurteilten zu erstellen. Das ergreifenste Exponat ist sicherlich die Akte, in der ein Photo der betroffenen Peron klebt und mit ein paar Zeilen das "Vergehen" geschildert wird. Teilweise sieht man den gebeugten Leuten die Folter an, die sie erlitten. Nicht wenigen scheint es ins Gesicht geschrieben zu sein, dass sie wissen, dass sie gleich erschossen werden. Eine chronolgische Darstellung der schlimmsten Jahre, Geräte und Kleidung aus der Lagerhaft, Listen und Bilder von Denkmälern für Opfer der Repressionen und eine Tafelchronologie Sacharivs komplettieren dieses Museum. Gehen Sie hin, es lohnt sich!

Vom Museum aus machten wir uns auf den Weg zur Arbeitsstelle Memorials, der NGO in Russland.
Ich weiß nicht genau ob ich die dort aufgegriffenen Eindrücke beschreiben möchte. Es war eine unglaublich surreale Begegnung mit der Realität. Dokumente (Originale) von Verfolgten, Verurteilten, Erschossenen; eine Registrierkarte einer vierjährigen, deren Eltern weggesperrt wurden; ein Parteiwausweis, dessen Besitzer ebenso im Nirgendwo verschwand, wie Millionen und Millionen anderer, deren Geschichte und Schicksale Memorial versucht zu sammeln, so dass sie nicht in Vergessenheit geraten.


Sicherlich habt ihr bemerkt, dass ich in dem Moskautagebuch Euch immer mit "Sie" anspreche. Das liegt ganz einfach daran, dass ich vor einem Jahr noch nicht so recht wusste, wem ich das Tagebuch letztendlich zeigen würde. Und für den Fall, dass die Bundeskanzerlin oder zumindest ein Dozent meinerseits diese Zeilen läse, habe ich mich für die etwas höflichere Form entschieden. Ich glaube auch, dass es dem Inhalt eher entspricht, und möchte deswegen dabei bleiben, so lange ich das Moskautagebuch "veröffentliche". Ich hoffe ihr verzeiht mir, dass ich Euch mit Sie anspreche.

Freitag, 9. Oktober 2009

Straßenüberquerung und Kreml

Es folgen ein paar Sätze zum gestrigen Abend:

Mittwoch, 03.September 2008.


Nachdem wir eingecheckt und unsere Zimmer ausgecheckt waren, trafen wir uns, um gemeinsam zu Abend zu essen. Wir planten dieses Vorhaben in einem Restaurant in der Nähe des Hotels durchzuführen. Auf dem Weg dorthin mussten wir zwei Straßen überqueren, was angesichts der Beschaffenheit der Straßen kein Problem gewesen wäre. Als Problem entpuppte sich jedoch der Verkehr. Und das gilt für Moskau allgemein. Zwar gabe es zwei Zebrastreifen, aber diese werden ausschließlich von Fußgängern entdeckt, benutzt und vor allem beachtet. Um in Moskau von einer Straßenseite auf die andere zu kommen folgt man den folgenden Anweisungen (sofern keine Unterführung aufzustöbern ist):
1) Rufen Sie die Leute an, die ihnen lieb sind und machen Sie sie darauf aufmerksam, dass die Möglichkeit bestünde, dass Sie in Kürze nicht mehr sind.
2) Erkundigen Sie sich bei ihrer Lebensversicherung über die Konditionen im Falle eines unfreiwilligen Ablebens.
3) Senden Sie ein Stoßgebet gen Himmel.
4) Stellen sie sich auf die Straße. Aber höchstens einen halben Schritt vom Trottoir entfernt. Es folgen drei Möglichkeiten:
a) Sie werden von einem vorher nicht sichtbaren Auto überrollt.
b) Sie werden von einem vorher sichtbaren Auto überrollt.
c) Sie überleben.

Falls "c" eintrifft, lesen Sie weiter. (Lesen Sie auch so weiter, bitte!)

5) Warten Sie eine Lücke im Verkehr ab, die ungefähr so groß ist wie eine in Deutschland, bei der Sie ihr Kind erschrocken am Arm packen würden, weil es gerade los laufen wollte.
6) Laufen Sie los, und was immer Sie tun, bleiben Sie nicht stehen!

Wie dem auch sei. Nach erfolgreicher Straßenüberquerung und Rückkehr ins Hotel trafen wir uns zu einem geselligen Beisammensein, bei dem es weder an Wodka noch an lustigen Geschichten fehlte. Später kam sogar noch Frank dazu und das Ganzen nahm außergewöhnlich angenehme Züge an, wenn man bedenkt, dass wir in einem Land waren, in dem heutzutage Menschen willkürlich weggesperrt und/oder erschossen werden.

Doch nun zum Tagesverlauf. Wer verwirrt ist (Ich musste gerade mehrmals lesen und scharf nachdenken, um herauszufinden, über welchen Tag ich gerade geschrieben habe), dem sei gesagt:
Der Rückblick (Straßenüberquerung, Restaurant und Wodkabeisammensein) bezieht sich auf den Abend des 2. September, sprich Dienstag. Nun folgt der Tagesablauf des 3. Septembers, Mittwochs.

Nach dem Frühstück ging es auf in die Stadt. Moskau wartete auf uns. Moskau! (In meinem handgeschriebenen Tagebuch finde ich den Hinweis: Schreib was zur Geschichte der Stadt! Bitte nehmt es mir nicht übel, wenn ich mich jetzt nicht weiter zur Historie äußere. Die Zeit fehlt mir einfach.)
Auf dem Programm stand eine Stadtführung. Ich grübelte ein wenig über diese Idee, denn eine Stadt mit mehr als 10 Millionen Einwohnern ließe sich bestimmt nicht innerhalb nur eines Tages erlaufen. Ich sollte glücklicherweise Recht behalten.
Wir trafen unsere Fremdenführerin - nennen wir sie spaßenshalber Ewa - an den Toren des Kremls. Sie riet uns Rucksäcke und ähnliche, potentielle Sprengstoffherbergende Gerätschaften in der dafür vorgesehenen Rezeption zu verstauen. Mißmutig trennte ich mich erst von meinem Rucksack (Ich hatte ihm den Kreml quasi versprochen) und dann von meinem Geld.
Die Kremlführung war großartig!

Ich denke, dass sie es war. Leider steht jetzt in meinem Tagebuch folgendes:
-Schatzkammer
-Waffenkammer (verbranntes Kettenhemd)
-Kloster(Platz) + Pause
-Glocke (6m hoch) + Kanone (auf Kreml)
-ich zu Susanne: wenn ich Präs. wäre
-Kreml raus: Rucksäcke, Alexandergarten, Versuch auf Roten Platz zu gelangen
-Lenin und Niko/Stalin (Hitler)
-Basilika + Tschüß
-Frank + Susanne -> Alte Zeiten
-sehr schön (Russe, der 2 Zigaretten wollte)
-Metro, bot. Garten, Eintritt zurück
-Supermarkt, Döner = nette Frau
-Zimmer, Politik, Hitler ... Antifa
-Bett + Gute Nacht!

Ja. Ich sitze genauso da, wie ihr. Ich habe keine Ahnung, was ich mir da sagen wollte. Sehr interessant finde ich: "sehr schön (Russe, der 2 Zigaretten wollte).
Haben wir einen schönen Russen getroffen, der zwei Zigaretten wollte? Haben wir sie ihm gegeben? Warum erwähne ich das? War er SO schön? ...
Ich sitze hier mit geschürzten Lippen und zusammengekniffenen Augen und versuche mich zu erinnern. Was für ein verbranntes Kettenehemd meine ich?
Ich erinnere mich an einen Garten (den Alexandergarten) und weiß auch noch, dass er sehr schön war. Aber alles andere? Wieso erinnere ich mich nicht so genau?
Vielleicht haben wir getrunken. Vielleicht haben wir im Kreml eine Gehirnwäsche bekommen oder wurden á la Men In Black geblitzdingst. Wahrscheinlicher aber ist, dass ich von der Miliz verprügelt wurde. Diese Burschen waren mir von Anfang an suspekt.

Nun, ich werde wohl den Kreml Kreml sein lassen müssen und zum nächsten Tag übergehen.
Dann berichte ich vom Sacharov Haus und wie man im Gedränge der U-Bahn keine Langeweile bekommt.

Dienstag, 15. September 2009

Flug (2) und unser Hotel - Morgendliche Schwierigkeiten

Eine unerwartet lustige Abwechslung hält das Ausfüllen des Einreiseformulars bereit. Nennen wir es ein für das KGB-Archiv taugliches Papierchen. Ca. 2*3cm groß darf man neben dem Vatersnamen auch die Dauer des Aufenthalts angeben. Natürlich nicht ohne die üblichen Auskünfte in einem Formular wie diesem. Sprich: Versicherungsnummer, Kontonummer samt Passwort und Pin, jährliches Gehalt, politische Neigung etc. Schade, dass es so klein ist. Gerne hätte ich noch ein Passphoto eingeklebt, damit man auch meine Hautfarbe erkennen kann.

02.09.2008, 14:58 Uhr Moskau.
Um 14:58 Uhr, am 02.September 2008 war es dann soweit. Ich betrat zum ersten Mal in meinem Leben russischen Boden. (Hier muss ich eine kleine Einschränkung vornehmen, die mir erst im Nachhinein aufgefallen ist: Es muss korrekterweise „geographisch betrachtet russischen Boden“ heißen. Denn politisch-russischen Boden habe ich mehrere Jahre als kleiner Steppke zu DDR-Zeiten be-und getreten.)
Mit der Videokamera in der Hand und einem beherzten Sprung von der zweiten Stufe der Gangway begrüßte ich Russland.
Es empfing mich freundlich: Vom Flughafen ging es relativ flott in die Stadt und von einer Metrostation nahtlos zu unserem Hotel. Einen sozialistischeren Prunkbau kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Groß wie … ja, wie ein sozialistischer Prunkbau eben und von einer betäubenden Gleichheit umwoben.
Auf dem Weg zum Hotel fielen mir zahlreiche Ähnlichkeiten mit (Achtung!) den Vereinigten Staaten von Amerika auf: Rechts und links der Autobahn riesige Reklameschilder, wie ich sie nur von amerikanischen Highways kenne. Die Fußgängerampeln hier zeigen ebenso wie in Chicago die verbleibenden Sekunden an, ehe sie auf rot oder grün wechseln. Und auch das Metrosystem erfreut sich einer zweifelhaften Ähnlichkeit zu jenem, welches ich in Chicago kennenlernte: Man kauft eine Karte, auf der wahlweise 1, 5, 10, 20 oder 60 Fahrten „gespeichert“ sind und schiebt diese dann, bevor man in den U-Bahnschacht hinab steigt in ein kleines geheimnisvolles Kästchen. Dieses leuchtet erst rot, aber nach dem Füttern mit den Daten auf der Karte blinkt es (im Idealfall) grün. Die Gehschranke öffnet sich und man geht zur U-Bahn herunter. Gar nicht mal so doof.
Im Hotel erfolgt der obligatorische „Check-In“, der erfordert, dass unsere Reisepässe über Nacht bei der Hotelrezeption bleiben müssen. (Weiß der Geier warum – wahrscheinlich werden Kopien angefertigt, um im Falle einer Bevölkerungsexplosion die russische Bevölkerung mit ausländischen Pässen versorgen zu können.)
Wir erhalten jedoch im Tausch für die Pässe amateurhafte Papiere – ähnlich unseren Studienausweisen der Ruprecht-Karls Universität zu Heidelberg (nur größer, schöner und bedeutender). Diese erlauben uns den Zugang zum Fahrstuhl, zum Essensraum, zu unseren Zimmern, sprich: Zum Hotel. Sie dienen uns quasi als Schlüssel zu unserer Bleibe und wir sollten es tunlichst unterlassen, diese „Dokumente“ zu verlieren oder auf dem Zimmer zu vergessen.

Mittwoch, 03.September 2008.
Ich habe mein „Dokument“ auf dem Zimmer vergessen.
Der Handywecker hat mich um 07:30 geweckt. In unserem kleinen, aber feinen Badezimmer habe ich geduscht und bin dann knappe 60 Minuten mit dem Fahrstuhl aus dem 20. Stock in die Tiefe gefahren. Zuvor aber habe ich noch einen Blick aus unserem Hotelzimmer riskiert und erstaunt festgestellt, dass der Ausblick atemberaubend ist. Mit den ersten zwei Zeilen der russischen Hymne (warum kann ich immer nur den Anfang?) habe ich auf meine Art Moskau begrüßt.
Auf Bodenebene angekommen wollte ich in den Essensraum, dessen Betreten mir jedoch wegen mangels am nötigen „Dokument“ versagt wurde.
Ich bin ein friedliebender Mensch, aber man sollte es gefälligst unterlassen mich um mein Essen zu bringen. Und dann auch noch um die erste Mahlzeit des Tages!
Ich wurde vom freundlichen aber sehr bestimmten Fahrstuhlportier an die Rezeption geschickt (ich durfte den Fahrstuhl ja nicht benutzen – schließlich hatte ich mein „Dokument“ auf dem Zimmer vergessen). Dort befürchtete ich das Schlimmste: Anschreien von Seiten Rezeptionsfrau, höhnische Blicke meiner Mitstreiter, Rüge vom Exkursionsleiter, Geldstrafen, Miliz, Einsperren, Gulag, Verhandlungen um meine Freiheit, Abbruch der diplomatischen Beziehungen, Kalter Krieg – das Übliche eben.
Aber nein!
Nur eine Minute später hatte ich ein neues, frisch gedrucktes „Dokument“ in der Hand. Und das Schönste an dem ganzen Hick Hack war, dass ich das alles auf Russisch hinbekommen habe. So etwas macht Mut, also auf zum Frühstück!

Beschwingt von diesem morgendlichen (07:45 Uhr!) Spracherfolg begrüßte ich die Dame vor dem Speisesaal nicht nur mit einem Lächeln, sondern auch mit einem ehrlich gemeinten „Добрый день!“. Als ich den Saal betrat verhallte mein Добрый день und mein Lächeln erstarb augenblicklich. Der Saal war riesig (ich hätte es ahnen sollen) und das Essen in allen Nischen und Ecken versteckt. Es begann eine heitere Such-und Findtirade, an deren Ende ich mit einem Teller voller Salat, undefinierbarem Gebäck, Orangenstückchen, Gurke, Schinken und Käse und sogar einem Glas Ananassaft auf den Händen meine Truppe fand. Die Gurke schmeckte nach Erde und die Orange nach Wodka, ansonsten war alles langweilig normal.

Beim Essen machte mich mein Zimmermitbewohner Christian darauf aufmerksam, dass ich letzte Nacht unsere Tür offen gelassen hätte. Hierzu ein paar Worte. Zunächst zur Tür: Sie klemmt.
Nein. Sie klemmt nicht nur, sie ist Trägerin des Klemmpatents. Man muss, um sie von außen zu schließen, beherzt vom anderen Ende des Ganges Anlauf nehmen und sich ohne Rücksicht auf eigene Verluste dagegen werfen. Um sie von innen zu schließen bedient man sich des folgenden Tricks: Man befestigt das eine Ende eines Unterarm dicken Taus an der Türklinke und das andere an einem der drei Betten. Dieses schmeißt man dann zum Fenster hinaus. Der Zug sollte die Tür schließen. Das Bett kann man danach getrost nach oben ziehen.
Öffnen lässt sich die Tür übrigens problemlos.




An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass ich den Blog besser hätte gliedern sollen und können. Ich möchte hier für heute Schluss machen, da der Abschnitt, der das Ende dieses Tages beschreibt noch relativ lang ist, und somit der jetztige Blog eine gewisse Länge überschreiten würde, bei der die Konzentration nachlässt.
Als nächstes erscheint dann hier also noch die Beschreibung unseres ersten Abends sowie wertvolle Hinweise zur Überquerung einer Straße in Moskau.

Bis bald.
Robert

Freitag, 11. September 2009

Moskau 2 - Fahrt zum Flughafen und Flug (1)

Hallo! Ja, ich weiß. Das waren keine 2 Tage - das waren definitiv mehr. Aber hey, ich war in Montréal und weiß der Geier wo. Also keine Beschwerden, lesen!

Dienstag, 02. September 2008.
Karlruhe-Durlach, Stuttgart Flughafen.

Karlsruhe-Durlach. Verdammte Scheiße. Es ist 06:17 Uhr am Morgen und ich sitze im Zug irgendwo in der kargen Einöde zwischen dem verschlafenen Städtchen Durlach und der Smog verhangenen Großstadt Stuttgart. Mein Gepäck: Ein alter abgegriffener Rucksack an dem lustlos zwei Wanderschuhe hängen, die ihre besten Tage längst hinter sich haben. Mit mir im Zug eine handvoll verirrter Gestalten; Nachtschwärmer, vergessene Geliebte und Geschäftsmänner, die an diesem grau beginnenden Tag verzweifelt versuchen werden ihre bankrott zu gehen drohenden Firmen vor dem Finanztod zu retten.
Vor einer Stunde bin ich aufgestanden, habe den Wecker, der mich mit seinem Fiepen brutal aus einem unruhigen Schlaf gerissen hat zuerst ausgeschaltet und dann verflucht. Lustlos schob ich mir zwei Scheiben Toast zwischen die müden Kiefer und musste fassungslos feststellen, dass mir meine Brüder beim Online Fußball Manager um Längen enteilt waren. Und das am dritten Spieltag.


Womit wir bei den schönen Dingen des Tages wären: (Natürlich ist das eine sinnlose Überleitung, aber irgendwie muss ich ja zum schönen Teil kommen)

Es ist 06:17 Uhr am Morgen und ich sitze im Zug irgendwo in dem beschaulichen Landstrich zwischen dem märchenhaften Örtchen Durlach und der pulsierenden Weltmetropole Stuttgart. Der Stadt, die den nächstgelegenen größeren Flughafen beherbergt. Mein Gepäck: Zwei lustig an einem gut betagten Reiserucksack bammelnde Wanderschuhe, freudig erregt, eine der größten Städte der Welt zu erlaufen: Moskau. Mein Rucksack darf auf diese Weise auch noch einen „Exot“ in seine Liste mit aufnehmen, bevor er wegen Altersüberschreitung seine letzten Jahre als Wäschetransportrucksack abdienen kann.
Mit mir im Zug warten Reisende ebenso wie ich darauf, was der noch so junge Tag bringen mag. Mein Wecker meldete mir vor einer Stunde den Start in ein Abenteuer an, welches verspricht aufregend zu werden. Nun denn, harren wir der Dinge, die da kommen.

09:00 Uhr. Ich sitze im Flugzeug.
Am Bahnhof stand ich nahe der Rolltreppe, als meine Mitreisenden aus Heidelberg eintrafen. Gelaunt, wie man es nach einer kurzen Nacht nun einmal ist begrüßten wir uns und machten uns auf den Weg Richtung Flughafen. Frank (Dozent des Seminars, auf dessen Basis wir diese Exkursion starteten) erheiterte uns mit ein paar abenteuerlichen Flugzeug -und Reiseberichten aus seiner Zeit in Rußland. Pardon. Der Sowjetunion.
Wusstet ihr, dass es einfacher ist aus Stuttgart nach Ankara zu kommen, als nach Mannheim? In den 40 Minuten, die ich am Flughafen verbrachte hätte ich die Möglichkeit wahrnehmen können ganze drei Mal in die türkische Hauptstadt zu fliegen. Und wenn ich verdammt fix gewesen wäre, hätte ich die gleiche Reise im Abstand von nur fünf Minuten unternehmen können.
Da ich aber lieber Zug fahre, hätte ich wohl eher einen der beiden Züge bestiegen, die täglich Richtung Ankara aufbrechen.
Nach Mannheim stellt sich die Verbindung schon etwas komplizierter dar. Aber warum wollte ein Schwabe auch nach Baden. Und, unter uns, Türken gibt es auch in Ankara.

Wie dem auch sei. Nun sitze ich im Flieger nach Moskau (ob es da auch Türken gibt?) und genieße überteuerten aber nicht zu verachtenden Kaffee und versuche meine Russischkenntnisse ein wenig mit Puškins Gedichten aufzubessern. Eine Strophe des Gedichtes „Winterlicher Weg“ kann ich schon auswendig: Сквозь волнистые туманы …
Mein Sitznachbar bietet mir an, auf einem kleinen Ipod oder wie auch immer man diese Dinger nennt einen Film mit ihm zu schauen. Sehr nett, aber ich lehne ab: Einen Knopf links im Ohr mit Filmdialogen und die Lautsprecherdurchsagen des Kapitäns im rechten – das mag ich nicht so sehr.
Nett: Der Pilot gibt die Reiseroute durch: Von Stuttgart geht es nach Nürnberg, südlich an Dresden vorbei und dann Richtung Warschau. In Gedanken stimme ich die polnische Nationalhymne an. Leider kann ich noch nicht den ganzen Text auswendig, weshalb ich stattdessen munter ein polnisches Geburtstagslied vor mich her trällere.
„Schaderweise“ sitzt Agnieszka, unsere polnische Kommilitonin zu weit entfernt, als dass sie mich hören würde. Und über die Köpfe von 20 grimmigen Russen hinweg möchte ich keine polnischen Weisen schmettern. Von Warschau ist nicht viel zu sehen. Quiz: Warum?
a) Weil es nach 1945 nicht wieder aufgebaut wurde
b) Weil es jetzt „Warsinka“ heißt und somit eindeutig russischen Charakter hat
c) Der vielen Wolken wegen

Meine beiden Sitznachbarn sind eingeschlafen (der Film wird wohl nicht so berauschend gewesen sein) und ich widme mich wieder meinem Gedicht.
Nebenbei möchte ich glücklich bemerken, dass ich erst zum zweiten Mal auf einem Flug die Gangreihe zugelost bekommen habe. Zwar hängen mir alle paar Minuten die Vorder -und Rückseiten verschiedenerartiger Menschen ins Gesicht (groß, klein, beleibt, bebust, wohlriechend und weniger wohlriechend) und ein ums andere Mal entgehe ich nur knapp heißen Kaffeeattacken (3 Doppelkonsonanten/vokale!!!), aber dafür habe ich Beinfreiheit und kann aufstehen wann immer ich will. Dafür nehme ich auch verschiedenste bammelnde Menschenteile in Kauf.


Nächstes Mal:
Die Herrausforderungen des korrekten Ausfüllens von Einreiseformularen und meine Ankunft in Moskau.

Donnerstag, 3. September 2009

Moskau, Moskau ...

Heute ist der zweite September. Noch. Zumindest in dem Land, in dem ich mich gerade herum treibe. Ich sitze im Flughafen Washington DC/Dulles und warte auf meinen Flug nach Boston. Es ist 21 Uhr abends Ortszeit, wie gesagt, am zweiten September. Ich betone das deswegen, weil es genau ein Jahr her ist (die Uhrzeit mal außer Acht gelassen), dass ich am Stuttgarter Flughafen saß und auf ein Flugzeug wartete, das mich in die russische Hauptstadt bringen sollte. Vor ein paar Monaten hatte ich versprochen, dass ich im September in diesem Blog den Reisebericht zu der Exkursion nach Moskau vom letzten Jahr folgen lassen wollte. Dass ich dieses Vorhaben genau an dem Tag angehen würde, an dem ich ein Jahr zuvor zum ersten Mal im Leben russischen Boden berühren sollte (zumindest geographisch betrachtet russischen Boden), konnte ich jedoch nicht wissen, und empfinde es daher als besonderes Glück. Ich habe mir mein Reisetagebuch durchgelesen. Mehrmals. Und ich war jedes Mal aufs neue erstaunt, wie sehr sich die Erinnerung nach nur einem Jahr verzerrt. In Polen habe ich ein wenig über Moskau berichtet und ich fand dann nie warme Worte für diese Stadt. Lese ich jedoch den Bericht, dann komm ich zu dem Schluss, dass mir der Aufenthalt und die Stadt selber doch irgendwie gefallen haben muss. Dieses „In-Vergessenheit-geraten“ kann mehrere Gründe haben:
Allgemein betrachtet, könnte die biologische Speicherfähigkeit des Gehirns ganz schlicht und ergreifend begrenzt sein. Das merke ich jedes Mal, wenn ich mich dabei ertappe, wie ich am Montag verzweifelt versuche zu rekonstruieren, was ich am Wochenende gemacht habe. Und da handelt es sich nur um 24-48 Stunden! Mein Albtraum ist der, dass eines Tages die Polizei an meiner Tür klingelt und mich fragt, was ich am letzten Donnerstag um 13 Uhr Mittags getan hätte. Ich würde gar nicht lange fackeln, meinen Lieben „Lebe Wohl“ sagen, den Polizisten meine Handgelenke entgegen strecken und mich abführen lassen. Ein zweiter Grund kann übertriebener Alkoholgenuss sein. Jeder, der mal das zweifelhafte Vergnügen hatte mit der Hilfe von Freunden (und schlimmer noch: von Fremden) die Puzzleteile der letzten Nacht in der Erinnerung zusammen zu setzen weiß ungefähr, was ich meine.
Dann gibt es noch nicht zu beeinflussende Faktoren: Hitze, Kopfstöße, und im Falle Moskaus: auch Prügelattacken der Miliz. Oder Prügelattacken als Milizionäre verkleideter Russen. Oder Prügelattacken als Milizionäre verkleideter Touristen. Oder eben einfach nur Prügelattacken irgendwelcher Leute. Und in meinem Falle nehme ich an, dass alle Gründe zusammen gekommen sind, und dass daher in meiner Erinnerung der Moskauaufenthalt negativ befleckt ist, während die Realität offensichtlich ganz anders aussah. In diesem Sinne wünsche ich viel Vergnügen beim Lesen. Ich werde versuchen jeden Tag oder … jeden zweiten Tag einen Bericht in einer gewissen Länge hier zu veröffentlichen. Ich werde ihn so übernehmen, wie ich ihn damals geschrieben habe, obwohl ich mich über einige Äußerungen meinerseits selber ziemlich wundern musste und muss. Aber änderte ich diese, änderte ich auch die Erinnerung. Und das möchte ich nicht.

Montag, 13. Juli 2009

Neues und Altes

Hallo!
Lang ist es her, dass ich hier etwas veröffentlicht habe.
Die Gründe sind verschiedene, aber alle gleich langweilig, und somit nicht erwähnenswert.

Es ist ca. 20 Minuten nach 1 Uhr nachts am Dienstag morgen, und ich bin wie gerädert. Gerade haben wir die Kulissen für unser Theaterstück aufgebaut. Eine schwere Arbeit, man oh man.

Ich möchte aber nur kurz erwähnen, dass dieser Blog weiter bestehen bleibt, und ich auch wieder mehr schreiben werde. Beispielsweise über Unterschiede zwischen Deutschland und Polen, die mir hier, in Deutschland auffallen. (Neulich habe ich in einem Berliner Bus nicht weniger als 8 Hinweisschildchen mit Verboten gefunden. - Nicht essen, trinken, rauchen, anlehnen, hinsetzen, Bus fahren usw. - Schildchen dieser Art suchte man in Polen vergebens.)

Aber als besonderen Schmankerl möchte ich im September mein Reisetagebuch aus Moskau vom vorigen Jahr hier veröffentlichen. Es hat mir Freude gemacht, es zu lesen.

In diesem Sinne gute Nacht!
Bis bald.
Adieu.
Ciao.
Bye.

Freitag, 5. Juni 2009

Bilder

Mal sehen, wie das geht. Ich werde mich jetzt an meinen Blog setzen, um Euch ein paar Bilder zu präsentieren. Und ich hoffe, dass es klappt!
Technik, sei gewarnt, jetzt komme ich ... .

Ein absolut adäquates Bild zu Beginn.
(Dieses jedoch wurde mir aus Prag zugeschickt. Die Tschechen wissen eben, was wirklich wichtig ist im Leben. Dank an Aka für dieses herrliche Bild!)









Um ein bißchen chronologisch vorzugehen: Meine Wohnheimsmitbewohner. Auch hier von links nach rechts mit dem Wichtigsten beginnend: Robert (das bin ich), Silvain (Frankreich), Pavel (Tschechien), William (Deutschland). Hier allerdings schon in meinem jetztigen Zimmer zu sehen.







Hier ein fantastisches Beispiel für Wohnheimsenglisch: Türkische Party. Traditioneller Volk Tanz. Leckere türkische Essens. Komische türkische Musiks.
16.12.2008 21:00, 12te Etage. Wenn du eine freundliche Nacht haben möchtest, solltest du 12te Etage sein! Komm nicht zu spät!

Toll. Vom Essen habe ich nichts mehr abbekommen. Ich war zu der Zeit eben 13te Etage.









Hier ein etwas krasser Themenwechsel:
Sonnenaufgang beim Angeln im März.









Mit dazugehörigem Sonnenuntergang. Für total romantisch veranlagte werde ich behaupten, dass beide Photos am selben Tag und am gleichen Ort geschossen wurden - für Realisten weise ich darauf hin, dass die Sonne in beiden Fällen rechts im Bild zu sehen ist, was bedeuten müsste, dass sie ... naja ein physikalisches Wunder vollbracht hat.





Nach Sonnenaufgang und Sonnenuntergang kommt? Nein, nicht die Geliebte ins Bett, sondern die Nacht über die Stadt! (Klingt poetischer, muss aber nicht immer schöner sein.)









Von dem ganzen Naturspektakel geht es in die Stadt zum Rathaus. Polnisch: Ratusz (sprich: Ratusch)- ein Germanismus. Ich finde, da hätten sie gleich bei "Rathaus" bleiben sollen. Noch etwas, dass ich den Polen sagen muss.








Hier der Wachzwerg. Er bewacht den Eingang zur Zwergenwelt. Dieser Zwerg symbolisiert - sicher ganz ungewollt - wie es zur Entstehung vom Klischee: Die Polen klauen; kommen konnte. Er schläft nämlich. Und wenn kleine Polen und Polinnen sehen, dass ein Wächter schläft und in alles andere als ein aktives verbales und physisches Spektakel verfällt, wenn etwas aus der Zwergenwelt entwendet wurde, dann ist zu verstehen, warum die Finger lang werden, wenn sich die Gelegenheit bietet. Gelegenheit macht eben Diebe. Allerdings glaube ich, dass die Sich-Haupt-Bereicherer an der Zwergenwelt in der deutschen Gilde der Hausmeister und Vermieter zu finden ist. Deren Hauptentwendungsgegestand scheinen die Gehirne der Zwerge zu sein. ...

Hier eine weitere Sehenswürdigkeit in Breslau. Mein Finger


zeigt auf ein gemaltes Fenster. Das einzig gefälschte in den Häuserzeilen des Ringes. Kaum zu erkennen.











Die chronologische Reihenfolge dieses Blogs endete mit dem zweiten Bild. Hier eines aus den Anfangszeiten. Eine Erasmusreisegruppe auf dem Slezna, dem vermeintlichen Namengeber Schlesiens. Leider hat der Photograf es versäumt, das wirklich wichtige hervorzuheben: Mein Kopf ist der dritte von links, in der zweiten Reihe von vorn.




Hier ein Bild aus eisig kalten Wintertagen. Informationen rund um die beiden Bilder (Slezna und Winter) gibt es in früheren Blogs nachzulesen.
Welche genau?
Irgendwann zwischen September und kalt.







Hier ein Bild auf das Verwaltungsgebäude der Universität von oben. Leider hatten die Gründerväter es versäumt mir Bescheid zu geben, als sie mit dem Bau begonnen. Ich muss wohl unerreichbar gewesen sein; auf 13te Etage.







Hier nun zwei Bilder aus meiner Wohnung. Zunächst Eimer und andere Behälter, um den Schnee aufzufangen, der im H2O Zustand durch die Decke rann. Es war praktisch, so hatten wir jede Menge Kaffeewasser ohne zu zapfen.








Hier meine Mitbewohner und Kasia. Man sieht deutlich die Freude über meine Anwesenheit in den Gesichtern der Beteiligten, besonders in meinem. Rechts von mir sind Damian und Michal zu sehen, links von mir Magda und Kasia. Hinter der Kamera (allerdings leider nicht zu sehen) Melissa.
Die Lasagne auf dem Tisch war lecker und von Melissa zubereitet. Ein Gedicht!



Ein Bild vom definitiv wichtigsten Tag des Jahres: Meinem Geburtstag. Ich ließ mir Kaffee und Kuchen schmecken. Das Buch war etwas trocken, aber ein Geschenk.










Naja. Die Aufreihung des Textes ist wenig übersichtlich. Bzw. scheiße. Aber im Testblog sieht alles ganz toll aus!

Dienstag, 2. Juni 2009

Von Zahlen oder was man ohne Laptop alles anstellen kann

Hallo!
Wie ihr mittlerweile wisst, bin ich total mittel - weil Laptoplos. Dass ich dennoch die Gelegenheit habe an meinem eigenen Küchentisch zu sitzen und diese Zeilen zu Papier - oder Speicherzellen - bringen kann ist ein äußerst glücklicher Umstand, für den ich sehr dankbar bin. Karl, im vorigen Blog erwähnter Freund von mir, hat mir für die Zeit seines Aufenthalts in Wien seinen Laptop hier gelassen. Und das ist eigentlich auch irgendwie unfassbar.
Aber ich muss aufpassen! Um mich herum sieht es aus wie auf einem Schlachtfeld. Zumindest wie auf einem aus einem Film. So, wie wenn der Nebel kommt, und man nicht weiter als die eigene Hand sehen kann. So, wie wenn auf dem Boden vor einem lauter Unrat liegt, den man kuriosererweise nicht identifizieren kann.
Der Nebel in meinem Fall ist Mehl, und der Unrat ... nun ja, eben undefinierbar. Mehl deswegen, weil ich in den letzten zwei Tagen zum Bäckermeister, ach was lüg ich denn da, Bäckerdiktator aufgestiegen bin. Ich backe nämlich gerade Brot, und heute nachmittag habe ich in Zusammenarbeit mit Karl und dessen Freundin Pierogi gebacken.
"Halt halt halt", höre ich da aus erstaunten Kehlen, "Du bäckst Brot? Ich meine: Du BÄCKST? Hast du denn soviel Zeit?"

Japp, die habe ich. Und zwar einzig und allein deswegen, weil mein Computer flöten gegangen ist.
Es ist unglaublich, wieviel Zeit der PC klaut. Oder irgend ein Medium generell. - Das kann ich ja sagen, weil ich auch keinen Fernseher und kein Radio besitze. (JETZT müsste die GEZ mal kommen, das wäre ein Show! "Sooo, zeigen sie mal Ihren Laptop. Nein, nicht Ihre Schoßspitze, die ist mir egal. ... Wie? Ach so. Na gut, wo haben Sie ihren Fernseher versteckt? ... Haben Sie auch nicht, aha. Und ein Radio? ... Auch nicht? ... . Handy? Wie, nur ein polnisches? Ohje ... . Sagen Sie, kann ich etwas für Sie tun?" Ich glaube, dass die mir am Ende sogar etwas spendieren würden.)
Wo war ich?
Bei den Medien! (Klar -> GEZ!) Nun ja. Mein Punkt ist: Ich werde durch nichts abgelenkt. Keine Spiegel.de Seite, die ich alle 5 Minuten (dumm!!!) nach Katastrophenneuigkeiten durchsuchen muss, kein NBA.com, um über laufende Transfers auf dem neuesten Stand zu sein (die transferieren doch auch ohne mich!) und kein reinhard-mey.de, um zu gucken, wann denn endlich das neue Notenbuch herauskommt. (Das kommt ganz sicher irgendwann!)
Kein Fernseher, der absolut unnötige Nachrichten über noch unnötigere Promis bringt, kein Radio, das ... . Ok, das fehlt. Und Musik fehlt auch. Und die Möglichkeit meinen Freunden eine liebe Mail zu schicken, wenn ich mich danach fühle, auch. Und die einfache Tatsache, dass ich zum Handy greifen muss, um mit Melissa zu telefonieren schützt auch nicht gerade mein Geld.
Also für gewisse Dinge würde ich Abstriche machen.

Aber es bleibt dabei: Ich habe mehr vom Tag. Ich habe Stadtteile gesehen, von denen ich dachte, dass es sie nur in Utonelop gäbe (Utonelop ist mein Idealland für Polen. Polen - Nelop. + Uto für Utopie -> Ich denke, dass das klar ist. Es sollte auch bald ein Blog darüber folgen.) Und vor allem kann ich mein Augenmerk auch wieder auf die Dinge richten, die Polen eben doch irgendwie unterscheiden von ... von ... ich will nicht von einem "normal-zivilisierten Land" sagen, dass wäre ungerecht, aber ... es geht in diese Richtung.

Ich habe in dieser Woche beispielsweise (Achtung, wir nähren uns dem ersten Titel) Bekanntschaft der unfreiwilligen Art mit abstrus langen Zahlenfolgen gemacht. Meine Abneigung gegenüber Zahlen sei zunächst als gegeben vorausgesetzt.
Die erste Bekanntschaft war die Kontonummer meiner Vermieterin. Selbst wenn ich diese hier veröffentlichen wollte, könnte ich es nicht. Sie ist ganz schlicht und einfach zu lang. 26 unfassbare Stellen! Bevor ich aber weiter darauf eingehe, folgen die anderen beiden Begegnungen.
Bekanntschaft Nummer zwei schloss ich im Supermarkt. Ein jeder kennt sie, und sie scheinen deswegen relativ unspektakulär: Die Barcodes. Allerdings würde ich sie hier nicht erwähnen, hätten sie nicht ihren Einfluss auf mich gehabt.
Die dritte und letzte Liebschaft habe ich mit den Zahlencodes geschlossen, die man ins Handy eintippen muss, um sein Konto freizuschalten.

Mit diesen möchte ich auch beginnen. Wenn man, so wie ich, ein Handy hat, dass mit Geldkarten aufgeladen werden muss, dann muss man sich zunächst die Frage nach dem WO stellen. Wo um Himmels willen finde ich einen Laden, der mir die für meinen Anbieter passende Karte verkaufen kann. Diese Läden sind nämlich eher winzig und versteckt. Hat man einen gefunden, kann man zwischen 5, 10, 25 und 50 Zloty entscheiden. Je nachdem, wie viel man telefoniert. Das finde ich toll. Was ich nicht toll finde, ist die Art und Weise, wie man das Handy auflädt. Man muss seinen Anfangscode kennen (von der netten Verkäuferin zugebläkt bekommen: Stern, 123, Stern! Verpiss dich! - Kunde König? Das gibt es nur in Utonelop) und dann den Code eintippen. Dieser aber hat nicht weniger als 14 Stellen!, was heißt, dass man sich theoretisch 14 mal auf dem Weg zur letzten Ziffer vertippen könnte.
Insgesamt habe ich aber nur 10 Minuten in der Sonne mit tippen, schwitzen und fluchen zugebracht. Echt, es muss doch irgendwie einfacher gehen.

Die Barcodes hingegen fordern nicht nur die Geduld eines Einzelnen, sondern die einer ganzen Supermarktschlange, im schlimmsten Fall auch zusätzlich die der anderen Kassierer und der Geschäftsleitung heraus. Ich hatte mich für eine Schachtel Nektarinen entschieden. Ich hatte unter 20 auch eine ohne verschimmelte Exemplare entdeckt. Das dumme nur war, dass ich Depperle nicht geprüft hatte, ob denn der Barcode auch lesbar war. Und das heißt nicht nur für die Maschine lesbar, nein, auch für die Kassiererin. Denn gewohnheitsgemäß wird jeder zweite Artikel hier per Hand eingetippt. Ich nehme an, dass sie das tun, um ihre Tippfähigkeit für die Handycodes zu üben (und ich Idiot habe 10 Minuten gebraucht!).
Meine Nektarinenschachtel war aber leider unlesbar. Für Mensch und Maschine. Seien wir uns bewusst: Auch so ein Barcode hat seine 13 Stellen. Nachdem Masia - so der Name der guten Frau - mehrmals mit immer verzerrterem Gesicht versucht hatte die richtige Reihenfolge zu finden, rief sie schliesslich ihre Kollegin - Basia - zu Hilfe. Auch Basia prüfte eigenhändig die richtige, bzw. falsche Folge der Ziffern. Währenddessen machte ich mich mit den Wartenden hinter mir bekannt.
Basia hatte leider auch kein Heilmittel, und sie sahen mich beide mit diesem: Musst-du-das-wirklich-kaufen? Blick an.
Ich musste natürlich nicht, aber ich wollte ja sehen, wie es weiterging. Also bejahte ich freundlich lächelnd.
Basia und Masia berieten und holten Asia, die beinahe den Leiter angerufen hätte, wäre nicht Kasia ihr in den Arm gefallen.
Zwei der Wartenden hinter mir kamen aus Australien!
Kasia hatte eine Idee: Sie würde eine zweite Nektarinenschachtel holen. Basia jedoch meinte leise flüsternd, dass es doch fast nur verschimmelte gäbe, und dass diese vielleicht die Kundschaft vergraulten. Masia trank Tee und bewunderte die immer länger werdende Schlange an ihrer Kasse.
Ich angelte behände ein paar Schokoriegel von der Kasse und verteilte sie großzügig an meine Kollegen hinter mir.
Nachdem sich in den munteren Plausch auch zwei Sicherheitsmänner, eine alte Dame ohne weitere Relevanz sowie der stellvertretende Leiter des Supermarktes eingeschaltet hatten, beschloss ich dem ganzen Spuk ein Ende zu bereiten. Ich verabschiedete mich höflich von den Australiern hinter mir und ging ohne Einkäufe hinaus.
Manchmal ist mir das eben einfach alles zu blöd.

Aber die Kontonummer ist der Gipfel! 26 STELLEN! 26!!!
Betrachten wir das Problem mal genauer: Polen hat sagen wir 40.000.000 Einwohner. Nehmen wir fairnesshalber an, dass jeder Pole ein Konto haben darf. Das wären 40 Millionen Konten. Weiter hieße dass, dass wir 40 Millionen verschiedene Kontonummern bräuchten.
Es gibt indes zehn Ziffern. 0,1,2,3,4...naja die üblichen eben. 0 bis 9. Zehn Ziffern, 40 Millionen benötigte unterschiedliche Kontonummern. Ist ja klar. Lech Kaczyinski möchte sicher nicht die selbe Kontonummer wie Jacek Kowalski. (pln. Klaus Müller). Zurück zur Kontonummer. 26 verschiedene Stellen, bei 10 möglichen Ziffern, das ergibt nach meiner Rechnung (und hier MUSS ich berichtigt werden, falls ich falsch liege) schlappe 3670344486987776 mögliche Konten. Einfacher: 3.670.344.486.987.776.
Nicht nur dass diese Zahl unfassbar ist. Nein, sie übersteigt auch um mehr als ein 6 Millionenfaches die derzeitige Zahl der Erdenbewohner.
Das lässt nur einen Schluss zu:
Die Polen wollen die Welt erobern!

Gut, jetzt ist das wieder so viel geworden, ach das tut mir so leid, weil es es ja doch keiner ganz zu Ende liest. Aber ich gelobe Besserung, und werde auch ein paar Bilder einfügen. Spätestens am Wochenende. Und über Utonelop muss ich auch noch schreiben.
Außerdem bin ich auf eine Tasse Kaffee nach Australien eingeladen worden. Vielleicht mach ich das. Ich habe ja jetzt Zeit.

Freitag, 22. Mai 2009

Don't Panic

Hallo!
Das Ende kommt naeher. Also das, des Aufenthalts. Und seltsamerweise endet es da, wo es begonnen hat - in einem Internetcafe. Nachdem ich mit Patrik, Konni, Karl (ein Freund meinerseits hier) und Steffen einen super Abend in Breslau verbracht habe, sind wir in einen Bus gestiegen, um eine Stunde und ein paar Minuten spaeter in Zabkowice in Niederschlesien wieder auszusteigen. Dort ging es uns dann 2-3 Tage im Hause Patriks Eltern sehr gut, meinem Laptop hingegen weniger. Ich wollte in diesem Blog endlich mal Bilder zeigen, allerdings kann ich Kollegen Laptop nicht mehr einschalten.
Ausserdem muss ich ein Referat (mit Materialien auf meinem PC) vorbereiten, fuer eine Klausur lernen, die ersten Sachen zusammen packen, nochmal nach Berlin zu Melissa fahren, fuer einen Sprachtest lernen, aufpassen, dass ich genuegend Wasser im Haus habe usw.
Wie ich heute auf der Rueckfahrt nach Breslau im Bus sass, mir das alles durch den Kopf gehen liess und langsam selbigen zu verlieren drohte, hielt auf der Spur neben uns ein weisser Transporter, auf dessen Ruecktuer in den dortigen Schmutz mit einem Finger "Don't panic" geschrieben war. Keine Panik. Ganz ruhig. Mit viel Geduld und Spucke, faengt man eine Mucke.
Genau! So und nicht anders werde ich die naechsten Tage angehen. Heute habe ich schon meine Uhr zum Uhrenmacher gebracht (60 zloty!!! WAAAS???) und gleich werde ich mich zu einem Fachmann fuer Computer begeben. Also immer schoen der Reihe nach.

Und noch ist das Jahr nicht um! Noch gibt es viel zu tun. Ich muss zum Beispiel dem Bahnhofspersonal sagen, dass man die Ansagen allein akkustisch nicht verstehen kann, wenn ein Zug mit LAUT quietschenden Bremsen haelt. Ich muss den Doenerbuden sagen, dass das Fleisch auf den Abbildungen wie das der Tauben um sie herum aussieht. Ich muss der Stadtverwaltung sagen, dass es nicht gut fuer das Stadtbild ist, wenn an einer Haltestelle fuer 4 verschiedene Strassenbahnlinien 2 Mal in Folge die gleiche Linie faehrt, die anderen aber auf sich warten lassen.
Also wie ihr sehen koennt, ist noch laengst nicht alles gemacht.
In diesem Sinne,

bin ich mal weg.

Samstag, 25. April 2009

Wie nennt man nun korrekterweise weibliche Friseure???

Halli hallo!

Während meines Auslandsaufenthaltes (Ich meine jetzt von Polen aus betrachtet; sprich in Deutschland) habe ich mit Freude feststellen dürfen, dass ein paar Leute doch meinen Blog lesen.
Weswegen ich diese höchst lobenswerten Gesellen nicht länger warten lassen möchte, obwohl ich eigentlich muss. Denn ich habe bislang versucht, noch ein paar Beispiele für das Kommende zu finden, wurde aber bisher enttäuscht.
Wie dem auch sei, es geht mir heute um weitere eher unfassbare Dinge, die aber in einer anderen Hinsicht unfassbar sind, als beklebtes Brot oder lebende Eier (sh. früherer Blog - weiß nicht genau welcher).
Ich war in Berlin beim Friseur, und das an sich ist schon ein wenig unfassbar, da ich das hier günstiger hätte haben können. Aber ich hatte einen guten Grund (150. Geburtstag der Großeltern).

Wäre ich aber nicht dort beim Friseur gewesen, hätte ich dieses unglaublich erheiternde Schild nicht gesehen. Wie ich so auf dem Stuhl saß, mir genüsslich Kaffee über die Hosen kippte (seit wann bieten Friseure Kaffee an? Ich meine das ist doch echt unpraktisch - wie will er/sie schneiden, wenn der Kunde ständig den Kopf in den Nacken legt, um zu trinken? Wobei das wieder auch diesen umgekehrten Irokesenschnitt erklären könnte, bei dem in der Mitte des Kopfes eine Bahn Haare wegrasiert wird) - mir also genüsslich Kaffee über die Hosen kippte und meine schon zur Tradition gewordenen Grimassen im Spiegel zog - das zieht immer bei den Friseuren/eninnen/in/euse/eusinnen - boah, wie denn nun? - da erblickte ich dieses Plakat an der Wand, neben dem Spiegel. Ich hätte es schon eher sehen müssen, denn es war ca. 2 mal 3 Meter groß. Es war ein Werbeplakat von ... ich meine L'Oreal - und damit ist kein Fangesang auf Real Madrid gemeint - und hatte am unteren linken Ende diese schönen Anweisungen für den Friseur, bzw. das weibliche Pendant.

Dort stand als Überschrift: Worauf Sie achten müssen, wenn ein Mann ihr Kunde ist.

Aha, dachte ich, is ja interessant.

Dann kamen die Hinweise; ich glaube es waren 8 oder 9 an der Zahl. Der erste war gleich der Beste (haben diese Plakatmacher nie etwas von "Spannungsaufbau" gehört? Das Beste zum Schluss, nicht am Anfang!!!) aber auch der Zweite war nicht von schlechten Eltern. Und da ich schon einmal etwas von Spannungsaufbau gehört habe, beginne ich mit dem Zweiten.

"Männer sind unsicher. Sie brauchen Vorschläge! Geben Sie ihnen konkrete Hinweise und/oder Beispiele!"
JA! Genau!

Ich sitze jedes Mal da in diesem klinisch sterilen Stuhl (naja, sooo steril natürlich nicht, aber genauso beängstigend wie ein Zahnarztstuhl) und bete im Stillen, dass ich keine Fragen gestellt bekomme, die ich nicht beantworten kann, weil ich sie ganz einfach nicht verstehe. Viel lieber sind mir Fragen, die man stellt, und in denen die Antwort schon versteckt ist, allerdings so schlecht versteckt, dass ich sie nicht lange suchen muss.
Es gibt sogar einen Fachbegriff für diese Art der Fragen. Das klingt dann ungefähr so: "Soll ich vielleicht erstmal einen Zentimeter wegnehmen, und danach eventuell mehr?" - Welcher Mann würde jetzt bitte: "Ach wissen Sie, machen sie gleich einen gelockten Rittberger vorne, und hinten nehme ich das Streuselmuster mit Igelübergang in den Nackenbereich." Also ehrlich. Da ist "Ja" die näherliegende Antwort.

Konkrete Hinweise aber sind die besten. Ein selbstsicheres Auftreten und dann ein herrscherisches: "Wissen Sie, sie sehen so scheiße aus, da verpasse ich Ihnen am besten einen trükis-pinken Irokesen, das lenkt von ihrem Gesicht ab."

Na bitte, das wäre erstens pure Ehrlichkeit, zweitens ernstgemeinte Hilfe und drittens ein konkreter Hinweis, den sich kein verunsicherter Mann entgehen lassen würde.



Aber bla bla bla, kommen wir zum ersten Punkt:

"Männer wissen, was sie wollen. Fragen Sie sie nach ihrem Haartyp"

Meine erste Antwort auf die Frage nach meinem Haartyp wäre: "Braun."

Nach etwas Überlegen: "Kann auch hellbraun sein."

Würde mich der Friseur und das weibliche Pendant verdutzt angucken, könnte ich mich auch zu einem gewagten: "Im Winter generell dunkler, im Sommer ausgebleicht" hinreißen lassen.

Wenn auch das auf kein entsprechendes Echo gestoßen wäre, kämen mir noch "eigentlich hab ich immer einen kurzen Schnitt", "nach dem Aufstehen steht mein Wirbel ab" und "ich hab die Ohren lieber frei" in den Sinn.

"Fragen Sie sie nach ihrem Haartyp." Wenn mich je ein Friseur und dessen weibliches Pendant nach meinem Haartyp fragt, dann werde ich ihn so lange malträtieren, bis er oder sie den Beruf wechselt. "Fragen Sie sie nach ihrem Haartyp" ... unfassbar.

Aber das lenkt von der anderen Unfassbarkeit ab: "Männer wissen, was sie wollen." Das steht da allen Ernstes. Ich weiß was ich will, wenn es ums Essen oder Sport geht. Aber beim Haare schneiden?
Ok, "Freie Ohren und wieder etwas sehen. Und seit einiger Zeit auch: Ausdünnen. (Das hat aber so einen diskriminierenden Beigeschmack. Als ob ich dicke und dünne Haare hätte und die Dicken einfach raus müssten.)" Das ist das, was ich will. Aber das kann unmöglich mit "Sie wissen was sie wollen" gemeint sein.

Und noch eine Sache ist eigentlich unbegreiflich. Punkt eins ist also: "Männer wissen, was sie wollen." Punkt zwei: "Männer sind unsicher." Ja was denn nun? Wenn man sich diese beiden Punkte ansieht, dann muss man zu dem Schluss kommen, dass Männer eigentlich gar keinen Plan haben , wenn sie zum Friseur gehen. Und das wiederum würde erklären, warum bei diesem speziellen Friseur nur Friseusinnen gearbeitet haben, der Besitzer schwul war, und ich mich noch nie bei einem Friseur so wohl gefühlt habe. Ganz ehrlich.


Eigentlich sollte ich hier Schluss machen, denn der Schluss ist gemacht und schließlich ist das Thema abgeschlossen. Aber ich habe am Anfang erwähnt, dass ich ursprünglich noch weitere Beispiele für ... ja für was denn sammeln wollte?!

Für Dinge wie widersinnige Plakate beim Friseur. Dinge, die einfach so DUMM sind, dass sie die Nation ernsthaft gefährden. Das fängt damit an, dass auf kleinen Plastiksalatschachteln steht "Hier öffnen". Oder noch besser: "Bitte hier öffnen." Ach ne! Echt? Ich hätte allen Ernstes versucht, die Schachtel mit einem Feuerzeug zu schmelzen, um ans Innere zu kommen. Und was in drei Teufels Namen soll dieses BITTE ??? Hat sich je irgendein Arsch dafür bedankt, dass ich immer an der Lasche ziehe, um es zu öffnen? Bislang ist noch nichts auf meinem Konto eingegangen und ich habe auch noch keine Blumen bekommen.

Weiter: "Bei Schnee Glättegefahr" ... Was sagt man dazu? Vielleicht: Bei Wasser Nässegefahr. Bei Müdigkeit Schlafgefahr. Bei Dummheit Verblödungsgefahr.
Aber ich fühle mich ja auch viel besser, jetzt, da ich weiß, dass es bei Schnee glatt werden KANN.

Bei den Automaten der BD (Name geändert) kommt am Ende die Aufforderung: Zahlen Sie jetzt mit einem der angegebenen Zahlungsmittel. (EC-Karte, manchmal bar).
Schade, denn ehrlich gesagt wollte ich lieber nächste Woche zahlen und zweitens hatte ich vor mit Muscheln einen Tauschhandel einzugehen.

Der absolute Sptizenreiter aber ist ein jeder Briefmarkenautomat der peutschen Dost (ebenfalls Name geändert. Ach scheiß drauf, das oben ist die Deutsche Bahn und jetzt geht es um die deutsche Post). Nachdem man sich durch ein verwirrendes Menü mit blinkenden Anzeigen in allen mögliche und unmöglichen Sprachen gedrückt hat, und für den Kauf einer Briefmarke mehrere Stunden stehend zugebracht hat, kommt die Frage: Wollen Sie das Restgeld in Briefmarken ausgezahlt bekommen - Ja - Nein?

Hm. Generell: Nein. Generell, hätte ich lieber NICHTS bezahlt und meine Briefmarken einfach so bekommen sowie eine nette mehrstellige Überweisung der Post.
Also drücke ich "Nein", womit aber dummerweise der gesamte Kaufvorgang abgebrochen wird. Warum fragen, wenn die Antwort eh klar ist?
Denkt dran: Immer JA drücken und die Briefmarken im Wert von einem Cent so lange sammeln, bis sie 50 Cent wert sind, und zusammen auf einen Brief geklebt werden können.

Gut, dieser Schluss ist ein wenig lahmer als der andere, aber ich musste das einfach los werden. Jetzt gehts mir schon besser.

Ich geh Haare waschen, mit türkis-pinkem Haarfärbemittel von Leck-Mich-Am-... .

Dienstag, 7. April 2009

Frohe Ostern!

Ich glaube jeder Tag steht morgens auf und fragt sich als erstes: "Sooo, mal sehen. Wen kann ich denn heute verarschen? Aha, jaaa, da ist ja dieser Robert oder so, in Breslau. Den knüpf ich mir heute mal vor ... . Hehehe, das wird ein Spaß."

Anders kann ich mir den gestrigen Tag nicht erklären.
Bis zum Mittagessen lief noch alles normal. Das heißt ein bißchen zu spät aufstehen, grummeln, zu schnell essen; das übliche eben.
Aber als ich so an dem Cafétisch auf dem Marktplatz saß und mich umsah, da fühlte ich mich plötzlich ziemlich "cool". Und ich dachte, dass ich dieses Gefühl noch vertiefen sollte. Ich wollte "cool" leben. Mein Leben von Grund auf umkrempeln und ein bißchen auf "Matscho" (oder Macho?) machen. Ein bißchen lässig dreinschauen. Coole und schlagfertige Antworten geben. Ein bißchen mehr "männlich" sein.
So weit der Plan. In Gedanken ging ich alles durch: Sonnebrille kaufen, am besten eine verspiegelte. Tolle neue Turnschuhe. Ein legeres Hemd vielleicht und überhaupt ein entsprechendes Äußeres zulegen.
Die erste Aktion, die ich nach dieser Erleuchtung aufs Parkett legte war aber beileibe nicht so "cool". Ich habe der Kellnerin, die mir die Rechnung auf einem kleinen Porzellanteller brachte selbigen vor die Füße fallen lassen und im Hinunterbeugen ihr den Rest meines Kaffees über die Schürze gekippt. Das Wechselgeld, das sie mir auf den Tisch legte habe ich mit zittrigen Händen mehrfach fallen lassen und beim Aufstehen und Gehen wollte ich gleichzeitig Jacke anziehen und Rucksack aufnehmen, was zur Folge hatte, dass ich den Stuhl umschmiß und die zweite Kellnerin sich nur mit einem sehr beherzten Sprung zur Seite retten konnte.

Sehr "cool".

Danach bin ich in ein Café nebenan gegangen und habe einen Kaffee bestellt. Vom Plan "cool" zu sein war ich noch nicht abgekommen! Im Gegenteil. (Ich musste mich nur eine kleine Weile verstecken.) Wie ich also im zweiten Café saß nahm ich meine Jacke zur Hand, Nadel und Faden, dass ich von zu Hause mitgebracht hatte und begann einen Knopf anzunähen. Ich nähte und trank Kaffee und irgendwann kam mir der Gedanke, dass das vielleicht nicht sooo eine coole Aktion ist, seinen Knopf anzunähen. Also habe ich mir ein Bier zur Tarnung bestellt, das ich auch gleich nachdem ich es bekommen hatte mit einer unachtsamen Handbewegung vom Tisch warf.

"Cool" sein stellte sich als ziemlich schwer durchführbar heraus.

Auf dem Weg zur Uni steckte ich mir einen Kaugummi zwischen die Zähne. Coole Leute kauen immer Kaugummi. Als ich ihn aber in einer lockeren Bewegung mit Daumen und Zeigefinger nur im Vorbeilaufen in einen Papierkorb befördern wollte, blieb der Kaugummi an meiner Hand kleben und nachdem ich versucht hatte ihn mit Schütteln loszuwerden, landete er auf dem Schuh einer vorbei laufenden Passantin.

Es konnte eigentlich nur besser werden.

Eigentlich. Im Unterricht saß vor mir eine junge Dame mit sehr langen Haaren. Diese hingen auch auf meinen Platz, was mich ziemlich ablenkte. Der Unterricht war aber auch nicht so besonders. Nun ja, ich schaute also geschlagene 85 Minuten auf die Haare vor mir auf meinem Platz (Kastanienbraun behaupte ich), was hätte bedeuten müssen, dass ich wissen sollte, dass dort Haare waren! Aber im Zusammenpacken muss mir diese Nebensächlichkeit entgangen sein, denn ich verwickelte sie in den Reißverschluss meines Rucksacks ohne es zu merken. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es ihr weh tat.

Nun ja, das Ende vom Lied ist, dass ich weder Sonnenbrille noch Hemd oder Turnschuhe gefunden habe. Dafür aber hatte ich einen schönen Abend mit zwei Freunden in einer Bar, und ich glaube, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt schon gebessert hatte. Denn ich verschüttete nichts und tat auch keinem weh.

Frohe Ostern.

Mittwoch, 18. März 2009

Ratschläge!

Und bevor ich mich morgen mit aller Herzlichkeit für ein paar Tage Richtung Berlin verabschiede, möchte ich noch die 10 Gebote für Autofahrer in Polen aufstellen, für den Fall, dass einer von Euch in den nächsten Tagen in dieses Land fährt, ohne auf meine 100%ig zuverlässige, niemals enttäuschende und vor allem immer vorurteilsfreie Meinung und Erfahrung zurück zu greifen. Danach folgen noch die Erkenntnisse des Monats.

Die Gebote beginnen mit Gebot 10; wir wollen es schließlich langsam angehen.

10.Gebot: Sprich auf einer 10minütigen Fahrt nicht weniger als 9:30 Minuten per Handy - nutze die anderen 30 Sekunden um mit beiden Händen das Handy unter der Rückband zu suchen!
9.Gebot: Lass kein Schlagloch aus! (gilt im Besonderen für Busfahrer)
8.Gebot: Winke niemals einen Passanten durch!
7:Gebot: Unterschreite niemals die 50km/h in der Fußgängerzone!
6.Gebot: Versperre die Straße, sobald sich ein Rettungswagen mit Blaulicht nähert!
5.Gebot: Versperre am besten immer die Straße!
4.Gebot: Nutze die Rückständigkeit der Polizeiautos aus!
3.Gebot: Fahre immer mit quietschenden Reifen an!
2.Gebot: Behandle alle Ampelfarben gleich; vorzugsweise als "grün"!
1.Gebot: Fahre immer so, als wäre dein Auto ein Panzer und die anderen Autos/Verkehrsteilnehmer nichtexistent!

Ich hoffe, dass ich helfen konnte.


Erkenntnisse des Monats:
- Sich mit kalten Zehen an der Tür zu stoßen tut besonders weh.
- Blaue Flecken im Gesicht am morgen stammen meistens durch im Bett vergessene Füller.
- Man kann nie genug Wasser im Haus haben.
- Nach 21:00 Uhr einkaufen zu gehen erhöht die Chance Betrunkene zu treffen um ein Vielfaches.
- Betrunkene Polen sind nicht zu verstehen, aber außergewöhnlich freundlich.
- In eine 20 Liter Mülltüte passen meist auch nur 20 Liter Müll.
- Der Wasserstand der Oder steigt nach starken Regenfällen erkennbar an.
- Stundenlang das Fenster geöffnet zu lassen, treibt nicht den Gestank aus nassen Turnschuhen, erhöht aber die Möglichkeit nasser Schreibtische und durcheinander gewirbelter Unterlagen; vor allem bei regnerisch-stürmischen Wetter.


"Keep that in mind, and your life will be a lot easier!"

Freitag, 13. März 2009

Aus aktuellem Anlass

Ich denke, es braucht jetzt vorerst keine weiteren Worte.

An die Angehörigen der Opfer des Amoklaufs


Ich liege auf einer endlosen Wiese.
Sie geht weit über den Horizont hinaus.
Das Licht scheint in alle Richtungen.
Ich schaue im Kreis über die Wiese.
Mir geht es gut, ich ruhe jetzt über alle Zeiten hinaus.
Das Licht scheint in alle Richtungen.
Ich kenne sie noch nicht, diese Wiese,
ich weiß auch nicht: Was ist darüber hinaus?
Und dann kommen Figuren aus allen Richtungen.
Sie sehen so ruhig aus. Sie gleiten fast über die Wiese.
Dann legen sie sich hin. Wie ich. Meine Gedanken können nicht über die Wiese hinaus;
und gleiten gleichzeitig in alle Richtungen.

Ich weiß nicht warum, doch ich, ich muss es nicht wissen.
Ich denke an die, die nicht mit mir hier sind.
Mir geht es gut, ich ruhe mich aus.

Die Figuren und ich, wir weinen nicht auf der Wiese.
Das ginge über unsere Gefühle hinaus.
Die anderen, die nicht mit uns hier sind, weinen. Wir sehen sie in allen Richtungen.

Wir wissen nicht warum. Doch wir, wir müssen es nicht mehr wissen.
Wir denken an die, die nicht mit uns hier sind.
Uns geht es gut, wir ruhen uns aus.
Und schicken einen Lichtstrahl von der Wiese über
diese
hinaus.
In alle Richtungen.

Mittwoch, 4. März 2009

Die Perspektive, die Perspektive!

Das englische Wort für "Geschichte" lautet "History". Dieses wiederum lässt sich in folgende Komponente zerlegen: "His" und "Story". Das abermals übersetzt heißt "Seine Geschichte". Geschichte ist also immer subjektiv. Viele Fakten, die vielen bekannt sind, können unterschiedlich interpretiert und analysiert werden. Ein Beispiel:
In meiner ersten Geschichtsstunde in den USA hat uns unser Lehrer eine Liste mit "Fakten" gegeben: In einer Wohnung eines Toten wurden ein Flugticket, ein Brief an eine Frau, Geld in einer anderen Währung und eine Schachtel Zigaretten gefunden. Hausaufgabe: Schreibt eine Geschichte.
Und das haben wir gemacht und wir haben bei zehn Schülern zehn verschiedene Geschichten heraus bekommen. Die Fakten, die jeder hatte, waren alle genau die selben.

Worauf will ich hinaus? Auch wenn es den Eindruck erweckt, dass ich belehren möchte, ist etwas anderes der Fall. Ich möchte auf ein kleines Erlebnis hinweisen.
Neulich, als es hier so sehr schneite und alles dem Winter kapitulierte, habe ich einen Spaziergang entlang der Oder gemacht. Und irgendwann kam mir in den Sinn, dass, obwohl die "Fakten" sich nicht veränderten - Schneefall, Stille, Dämmerung etc. - sich doch eben diese Gegebenheiten unterschiedlich auf zwei Personen auswirken können. Zum Beispiel auf erstens einen Romantiker/Optimisten und zweitens auf einen Pessimisten. Wie genau würden deren Gedankengänge aussehen?
Hier ein Versuch. Zuerst ein Spaziergang aus der Sicht eines Romantikers, danach aus der eines Pessimisten. Selbstverständlich sollte in einem entsprechenden Tonfall gelesen werden. Das heißt im ersten Fall etwas ruhig, fast melancholisch - aber nur fast - mit einer leicht schwingenden Stimme und einem Tonfall im Dur Bereich. Mit sanften Übergängen zwischen den Sätzen. Genaus so, wie der letzte Satz in diesem Video:
http://www.youtube.com/watch?v=l4X_JsEwjHA
Im zweiten Fall jedoch muss die Stimme hart und abgestockt, in tiefem Bass oder besser Moll, mit einem eisigen Klang erklingen.


Ein Spaziergang entlang der Oder in der Abenddämmerung und bei Schneefall aus der Sicht eines Romantikers


Langsam und beinahe lautlos, entsprechend der Atmosphäre an diesem stillen Winterabend, senkt sich der Schnee und setzt sich in den Augenlidern fest, um dort, ein paar Augenblicke verweilend, dem geduldigem Wirt das Aussehen eines glücklich mit der Umgebung verschmolzenen Erdbewohners zu verleihen. Bei jedem Schritt knirscht der Schnee leise unter dem sich dem wandernden Fuß geschmeidig anpassendem Winterstiefel, auf dessen Spitze sich ein kleiner Turm aus reinem Schnee aufbaut, und der, dem gemächlichen und rhythmischen Schritt des dazugehörigen Körpers gleichkommend, innerlich aufgeräumt und leicht daher wippt. Die Spuren im frischen Schnee überdauern nur wenige Momente, und sobald der Wanderer im ruhigen Schneetreiben verschwunden ist, sind alle Anzeichen menschlicher Anwesenheit der Umwelt zurückgegeben. Fast scheint es, als verschmelze die schöpfende Kraft der Natur mit dem, was sie unter Bündelung all ihrer Wunder hervorgebracht hat.
Dem mit sich und der Welt im Reinen Bewegenden eröffnet sich unerwartet ein atemberaubender Anblick: Am Horizont, dem Punkt im Leben, der für viele Fixpunkt und Hoffnungsschimmer gleichzeitig verkörpert, lugt die Abendsonne in friedvollem Orange für den Hauch eines Herzschlages aus der ansonsten in beruhigendem Grau gehaltenen Wolkendecke hervor; fast so, als wolle sie ein letztes Mal dem scheidenden Tag in Augenschein nehmen, um sich schließlich mit einem letzten Blinzeln, in Form einer kurzlebigen Reflexion im kristallklaren Reif der unter einer schützenden Eisdecke schlafenden Oder zu verabschieden. Dann weicht der Schneefall einer klaren, kalten Luft, die leise wispernd das Schlafgemach Frau Holles vor sich her schiebt, und den Blick auf einen Sternen versehenden und herrlich funkelnden Himmel freigibt, während sie den Kopf von jeglichen Sorgen und Alltagsschwierigkeiten befreit.
An diesen Teil der Stadt gelangen die Geräusche der nahen, doch gleichzeitig so weit entfernt gelegenen Zivilisation nur als ein märchenhaftes Flüstern, und die Stille um einen herum erinnert daran, dass wir in unserem Leben hin und wieder einen Augenblick der Einsamkeit und Selbstfindung benötigen, ehe wir mit neuem Mut an die vor uns stehenden Aufgaben gehen können. Die Schnee behangenden Bäume am Ufer des Flusses gleichen kraftvollen und ruhigen Wächtern der Nacht, die stramm und unter einen wärmenden Decke versteckt den einsamen Wanderer beschützen, der sich immer weiter in ein für Menschen unbekanntes Terrain begibt. Eine Eule gleitet aus der Dunkelheit lautlos vorüber, und der Herrscher der Dunkelheit begrüßt so auf seine Art den willkommenen, weil nach Ruhe suchenden Gast.
Mit jedem Schritt, mit dem er sich der mittlerweile als nur ein rauschendes Auf und Ab zu vernehmenden Stadt entfernt, wächst die Gewissheit, endlich im vollständigen Einklang mit der Natur zu sein, hier Kraft zu schöpfen, um dann mit neuem Enthusiasmus zurück zu kehren.











Ach herrje, da tropft ja der Schleim der Romantik aus allen Poren. Mal sehen, was ein Pessimist dazu sagen würde:

Ein Spaziergang entlang der Oder in der Abenddämmerung und bei Schneefall aus der Sicht eines Pessimisten

Der eisige Wintersturm wirbelt unbarmherzig immer neue, eisig kalte Flocken in das Gesicht, und der krachend kalte Wind fährt unnachgebend durch Mark und Bein. Er verleiht dem irrenden Wanderer den Anblick eines Absurdum, das unmöglich in diese Lebens verachtende Umgebung passt. Der rutschige Schneematsch gibt unter jedem Schritt nach, was einen sicheren Tritt unmöglich macht und die mittlerweile völlig durchnässten Stiefel zeigen keinerlei Erbarmen mit der geschundenen Haut der Füße. Auf der Schuhspitze stapeln sich eiligst die Schneeflocken, die im eiligen Schritt rasch zu Eis gefrieren, und so jede wärmende Eigenschaft des zermürbten Leders zunichte machen. Die Spuren im Schnee überdauern nur für den Hauch einer Sekunde, und kurz nachdem der rastlose vorüber geeilt ist, hat die gnadenlose Natur jegliche Ahnung menschlichen Seins überwältigt. Es ist unfehlbar zu erkennen, dass die Natur kein Erbarmen mit dem Eindringling hat, den sie zwar hervorgebracht hat, der sich jedoch immer weiter von ihr fort entwickelte, und so zum unerbittlichen Gegner wurde.
Plötzlich reißt die Wolkendecke auf, und die Sonne lugt höhnisch für einen kurzen Moment aus dem undurchdringlichen Grau aus Schnee, Eis - und folgerichtig dem Tod - hervor, um einen letzten mahnenden Schrei heraufzubeschwören, umzukehren, und schleunigst in vertraute Umgebung zurück zu kehren. Doch die Natur weiß, was sie tut, und die Hypnose ist unüberwindbar. Vorwärts, immer weiter vorwärts … , ins Verderben.
Das Eis auf dem Fluss beginnt zu krachen, und innerlich spürt man, dass es mittlerweile zu schwach ist, um als rettende Bahn in die Zivilisation dienen zu können. Dann bricht der Schneefall abrupt ab, und ein noch eisigerer Wind, nun nicht mehr von dichten Flocken gebremst, macht jeden klaren Gedanken unmöglich. Wie in Trance, stapft man voran. Die Geräusche der Stadt verschwinden, die Stille greift um sich, und nimmt Besitz von der verängstigten, einsamen Seele. Die Bäume am Ufer ragen bedrohlich auf, und schütten eine Ladung kalten Schnees in den Kragen, sobald es jemand wagt, ihre Ruhe zu stören. Urplötzlich schießt eine Eule, wie aus dem Nichts, am Wanderer vorbei, und dieser wahre Herrscher der Finsternis erinnert mit einem lang gezogenen, und klagenden Schrei daran, dass man hier nicht willkommen ist, und geradewegs in die Katastrophe wankt. Keine Menschenseele ist in der Nähe, um einen aufzufangen, und es heißt nur vorwärts, immer weiter vorwärts … .




Naaa, also wenn ihr mich fragt, gefällt mir das Erstere besser. Aber alles eine Frage des Blickwinkels, stimmts?

Samstag, 21. Februar 2009

Uuuund "Action"!

Ich habe eine super Idee für eine lustige Szene in einer Sitcom!

Hauptdarsteller ist ein junger Mann. Sagen wir mal so ca. 22 Jahre alt. Na vielleicht 23. Oder doch 22, aber er wird in ein paar Wochen 23.
Dieser junge Mann ist eines Abends in seiner WG in Polen - oder Deutschland oder Frankreich; das ist nicht weiter wichtig - allein. Er hat aber einen perfekten Plan ausgearbeitet, um sich die Zeit zu vertreiben. Und zwar hat er den ganzen Tag verschiedene Lebensmittel eingekauft, weil er vor hat, etwas zu backen. Allerdings nichts gewöhnliches wie zum Beispiel Schillerlocken oder eine Schwarzwälder Kirschtorte, sondern gewisse Fischköder. Sogenannte Boilies. Dazu hat er im Internet nach Rezepten recherchiert und ist auch heilfroh, dass er alle Zutaten gefunden hatte. Sachen wie Milchpulver, Sojamehl oder Maismehl.
Nun denn. Der junge Herr steht also gut gelaunt in seiner Küche und beginnt, nachdem er in selbiger klar Schiff gemacht hatte, verschiedene Zutaten in eine Schüssel zu geben. Beispielsweise Backpulver, Puddingpulver, ein paar Eier und dann ... . Oh je. Es müssen genau abgemessene Mengen von den anderen Dingen hinein. Also muss ein Messbecher her.
Er beginnt zu suchen. Zuerst in den Hängeschränken. Dann in den Schubläden. Als nächstes im Abwasch. Dann im Kühlschrank. Etwas verzweifelt danach im Gefrierfach. Wenig später in der Waschmaschine, in allen Zimmern und deren Schränken, und zu guter Letzt an jedem Ort noch einmal. Wie gesagt, er ist allein in der Wohnung. Er weiß, dass seine Mitbewohnerin gerne bäckt; erst gestern hatte sie leckere Krapfen gemacht. Demnach vermutet er, dass sich irgendwo ein Messbecher versteckt. Er beginnt die Suche von vorne.
Ohne Erfolg.
Da fällt sein Blick auf die Armbanduhr (wobei er in der Hand, an deren Gelenk die Uhr ist ein Glas Apfelsaft hält, dessen Inhalt er sich laut plätschernd über das T-Shirt gießt) und er bemerkt ein wenig erleichtert, dass es erst 19:00 Uhr ist. Also schnell die Jacke übergeworfen - Pullover unnötig, er will ja nur schnell über die Straße in den kleinen Tante-Emma Laden - und runter.

Der Tante-Emma Laden ist geschlossen.
Also beschließt er sich schnurstraks zu dem riesen Einkaufszentrum zu begeben. Die Straßenbahn kommt auch gleich, und 5 Minuten später betritt er das Riesending. Er fährt ohne viel Federlesen in das erste von insgesamt 4 Stockwerken, weil er in dem dortigen Supermarkt das Objekt der Begierde vermutet. Er weiß, dass es dort 3 Gänge voller Haushaltsgeräte gibt. Also nichts wie hin.
Im Supermarkt ist es etwas kühl. Der Pullover wäre jetzt sehr nützlich. Nachdem er die 3 Gänge 2 Mal auf und ab gegangen ist, und erstaunt feststellen musste, dass man heutzutage Olivenölmessgläschen kaufen kann, die aber für seine Zwecke alles andere als ideal sind, hat er etwas enttäuscht und sauer nur ein Glas Nutella und Handseife gekauft.
Außerhalb des Supermarktes beginnt sein Gehirn auf Hochtouren zu laufen. Er entsinnt sich eines Haushaltswarengeschäftes im obersten Stock und hofft dort auf Erfolg. Im Geschäft für Haushaltswaren gibt es keine Messbecher. Dafür aber Kochlöffel aus jedem nur erdenklichen Material und Olivenölmessgläschen. Im Geschäft nebenan gibt es die gleichen Haushaltswaren in einem anderen Design. Mäuschen und nackte Frauen zieren die Tasssen und Teller dort.

Er fängt an, das Kaufhaus systematisch, auf allen Etagen, abzulaufen. Er besucht Läden für Kinderspielzeug, Saturn, Intersport, diverse Parfümerien, und eine Apotheke. Ohne Erfolg.
Im letzten Stockwerk findet er einen Rossmann (Drogerie) und geht hinein. Zwar entdeckt er dort einen Milchtopf und Rasierklingen in jeder Größe, aber selbstverständlich keinen Messbecher.
Gerade als er völlig erschöpft - und verklebt vom Apfelsaft - aufgeben will, fällt sein Blick auf eine Skala. In Milligramm beschrieben. Doch es ist kein Messbecher, nein. Ein wenig verzweifelt, belustigt und verwirrt zugleich greift er zu der ... Babynuckelflasche. Mit richtigem Nuckel. Aber es sind Striche in Milligramm drauf - bis 240; in 10er Schritten!!!
Damit stellt er sich freudestrahlend in die Schlange. Da spricht ihn ein junger Mann in ungefähr seinem Alter an, der ein Kind im Arm hält:
Mann mit Kind: "Na, auch schon Vater?"
Junger Mann: "Wie? Was? ... Ach so, das meinst du. Äääh, nein nein. Das ist nicht für ein Kind gedacht."
Mann mit Kind (ironisch lächelnd): "Selbstverständlich nicht."
Junger Mann (hektisch): "Nein, also du verstehst das falsch. Ich wollte was messen."
Mann mit Kind (zweifelnd): "Mit ner Nuckelflasche..."
Juger Mann (erleichtert): "GENAU! Guck hier sind so Striche drauf ... ."
Mann mit Kind: (belustigt): "Was du nicht sagst."
Junger Mann: (verzweifelt): "Naja ich will Angelköder backen und brauch die richtigen Mengen und hatte keinen Messbecher."
Mann mit Kind (ungläubig): "Angelköder."
Junger Mann (Verständnis bittend nickend): "Ja... ."
Mann mit Kind: "Aha. Weißt du was, so was habe ich am Anfang auch versucht, hat mir aber nie einer geglaubt. Steh einfach dazu, dann geht es leichter. Ist hier nichts ungewöhnliches, das man so jung Vater ist. Wie heißt es denn?"

Pause.


Junger Mann (aufgebend): "Boilie."


Und ich möchte die Hauptrolle spielen! Warum? Weil ich mich seit heute Abend verdammt gut in die Rolle hineinversetzen kann.

Donnerstag, 19. Februar 2009

Ab aufs Amt!

Es ist nun schon länger her, dass ich mich hier gemeldet habe. Wem das nicht aufgefallen ist, der weiß es spätestens jetzt. In dem folgenden Blog werde ich in Klammern englische Übersetzungen angeben, für Wörter, von denen ich denke, dass sie nicht-Muttersprachlern nicht unbedingt bekannt sind.

Ich könnte hier viel erzählen, von der Reise nach Berlin, von dem vorangegangenen (previous) mündlichen Examen, das ich hier in Polen hatte - Es lief gut, eine 1,7 ist dabei herausgesprungen (was the result) - oder von der schönen Woche mit Melissa und den Großeltern in Berlin und dem dazugehörigen (dazugehören - belong to) Schnee.

Aber das spielte sich in Deutschland ab (took place), und der Blog soll ja doch mehr über Polen berichten.
Hier schneit es auch. In rauen Mengen! (A lot!). Dazu ist auch ein bißchen kalt, aber der Wind ist nicht so stark, wie in Berlin. Das heißt, dass es noch ganz angenehm (comfortable) ist. Ich habe heute ein schönes Erlebnis mit einer polnischen Behörde (Office) gehabt. Ja, richtig, ein schönes Erlebnis.

Ich habe nämlich heute meinen Angelschein erworben (acquire). Für den Fall, dass ich es in den nächsten 4 - 5 Monaten ans Wasser schaffe. Dabei musste ich zum zuständigen (responsable) Amt. Da nahm mich ein älterer Herr in Empfang (to welcome someone), der mich in ein extra Zimmer führte. Diesen Vorzug (advantage) genoss (enjoy) ich, da ich mich gestern quasi angemeldet hatte. Er sprach sehr langsam und äußerst deutlich mit mir - so wie man eben mit jemandem redet, von dem man annehmen muss, dass er ernsthafte (serious) mentale Schwierigkeiten hätte - und war wie mein Professor für Sprachwissenschaft gekleidet. Unauffällige graue Hose, braunen Pullover und natürlich eine kunstvoll geschwungene (swing?) Brille, von der er gleich zwei dabei hatte. Zunächst bat er mich um meinen Ausweis, mit dessen Hilfe er - also eher mit den Informationen auf meinem Ausweis - eine weiße Karteikarte ausfüllte. Er schrieb meinen Namen, die meiner Eltern, mein Geburtsdatum und den Geburtsort auf. Das heißt, zunächst hob er noch nach 30 Minuten erschöpft (exhausted) den Kopf, um festzustellen (notice), dass er die Brille wechseln musste, weil er nichts sah. Nach weiteren 30 Minuten war er dann aber auch schon fertig.
Als nächstes wollte er meinen Studentenausweis sehen. Er war mit dem Ausfüllen der Karte so sehr beschäftigt (busy), dass er die Welt um ihn herum zu vergessen schien. So konnte ich einen interessanten Dialog - naja, eher Monolog - mit ihm führen. Ich fragte ihn unter anderem nach seiner Frau, seinen Kindern, wann er nach Polen gekommen sei, ob er wüsste, dass er zwei Brillen besäße (possess), ob er mir den Rücken kratzen (scratch) könne, und ob ich von seinem Kaffee trinken könnte. Da er keine meiner Fragen beantwortete und auch nicht den Eindruck machte (to give an impression), dass er auch nur eine meiner Fragen gehört hatte, nahm ich mir einfach einen Schluck.
Nachdem auch die Studentenausweishürde (not to translate ... )genommen war, klärte er mich über meine Pflichten und Rechte auf. Es war ein munterer (joyful) Monolog seinerseits mit einsilbigen Antworten meinerseits. Ich gab an in Deutschland einen Angelschein zu besitzen, funkelte (to tell small lies) ein wenig mit den Schonzeiten (close-season) und Mindestmaßen (minimum size) für verschiedene Fische in Deutschland und weitete immer dann die Augen und warf ein "Ja" ein, wenn ich es für richtig hielt.
Dann bezahlte ich natürlich noch, bedankte mich höflich und nahm die ca. 5 Dokumente - alle handgeschrieben, gestempelt und gültig.

Nur der See, zu dem ich danach ging, um zu gucken, in welchem Zustand er sich befände, war zugefroren. Und es war kalt. Und windig. Und schneeig. Also muss das Angeln verschoben (delay) werden.
Aber so kümmere ich mich heute um meinen Papierkram. Ist ja auch nicht schlecht.

Also einen schönen schmutzigen Donnerstag, der in Polen "fettiger Donnerstag" heißt. Ich finde das lustig.

Bis bald,
Robert.