Donnerstag, 3. September 2009

Moskau, Moskau ...

Heute ist der zweite September. Noch. Zumindest in dem Land, in dem ich mich gerade herum treibe. Ich sitze im Flughafen Washington DC/Dulles und warte auf meinen Flug nach Boston. Es ist 21 Uhr abends Ortszeit, wie gesagt, am zweiten September. Ich betone das deswegen, weil es genau ein Jahr her ist (die Uhrzeit mal außer Acht gelassen), dass ich am Stuttgarter Flughafen saß und auf ein Flugzeug wartete, das mich in die russische Hauptstadt bringen sollte. Vor ein paar Monaten hatte ich versprochen, dass ich im September in diesem Blog den Reisebericht zu der Exkursion nach Moskau vom letzten Jahr folgen lassen wollte. Dass ich dieses Vorhaben genau an dem Tag angehen würde, an dem ich ein Jahr zuvor zum ersten Mal im Leben russischen Boden berühren sollte (zumindest geographisch betrachtet russischen Boden), konnte ich jedoch nicht wissen, und empfinde es daher als besonderes Glück. Ich habe mir mein Reisetagebuch durchgelesen. Mehrmals. Und ich war jedes Mal aufs neue erstaunt, wie sehr sich die Erinnerung nach nur einem Jahr verzerrt. In Polen habe ich ein wenig über Moskau berichtet und ich fand dann nie warme Worte für diese Stadt. Lese ich jedoch den Bericht, dann komm ich zu dem Schluss, dass mir der Aufenthalt und die Stadt selber doch irgendwie gefallen haben muss. Dieses „In-Vergessenheit-geraten“ kann mehrere Gründe haben:
Allgemein betrachtet, könnte die biologische Speicherfähigkeit des Gehirns ganz schlicht und ergreifend begrenzt sein. Das merke ich jedes Mal, wenn ich mich dabei ertappe, wie ich am Montag verzweifelt versuche zu rekonstruieren, was ich am Wochenende gemacht habe. Und da handelt es sich nur um 24-48 Stunden! Mein Albtraum ist der, dass eines Tages die Polizei an meiner Tür klingelt und mich fragt, was ich am letzten Donnerstag um 13 Uhr Mittags getan hätte. Ich würde gar nicht lange fackeln, meinen Lieben „Lebe Wohl“ sagen, den Polizisten meine Handgelenke entgegen strecken und mich abführen lassen. Ein zweiter Grund kann übertriebener Alkoholgenuss sein. Jeder, der mal das zweifelhafte Vergnügen hatte mit der Hilfe von Freunden (und schlimmer noch: von Fremden) die Puzzleteile der letzten Nacht in der Erinnerung zusammen zu setzen weiß ungefähr, was ich meine.
Dann gibt es noch nicht zu beeinflussende Faktoren: Hitze, Kopfstöße, und im Falle Moskaus: auch Prügelattacken der Miliz. Oder Prügelattacken als Milizionäre verkleideter Russen. Oder Prügelattacken als Milizionäre verkleideter Touristen. Oder eben einfach nur Prügelattacken irgendwelcher Leute. Und in meinem Falle nehme ich an, dass alle Gründe zusammen gekommen sind, und dass daher in meiner Erinnerung der Moskauaufenthalt negativ befleckt ist, während die Realität offensichtlich ganz anders aussah. In diesem Sinne wünsche ich viel Vergnügen beim Lesen. Ich werde versuchen jeden Tag oder … jeden zweiten Tag einen Bericht in einer gewissen Länge hier zu veröffentlichen. Ich werde ihn so übernehmen, wie ich ihn damals geschrieben habe, obwohl ich mich über einige Äußerungen meinerseits selber ziemlich wundern musste und muss. Aber änderte ich diese, änderte ich auch die Erinnerung. Und das möchte ich nicht.

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