Mittwoch, 24. März 2010

Reise nach Stockholm. 10.02.2010 bis 14.02.2010

Lieber Leser. Endlich ist es soweit: Das Stockholmreisetagebuch begibt sich online. Ich habe diesmal die Abenteuer mit Untertiteln versehen, was einen besseren Überblick erlaubt. Ansonsten ist auch hier wieder allseits geschätzte Subjektivität und einwandfreie, 100%ige Wirklichkeit, auf der Basis meiner Beobachtungen gegeben. Samt aller gängigen Vorurteile. Viel Spaß!
Dein Robert.


Elche, Karlsson vom Dach und Elche – Gedanken vor dem Abflug

(Mittwoch, 10.02.2010; Flughafen Baden-Baden)
Schweden. Bei diesem Wort verdichten sich die Gedankenstränge – ganz im Sinne von Ferdinand de Saussure – zu Bildern. Zu Bildern wie Volvo, ABBA (mit dazugehöriger Dancing Queen) und natürlich zu IKEA. Man sieht förmlich die Schönheiten im schwedischen Fanblock während der WM 2006 und allen anderen Turnieren, an denen Schweden teilgenommen hat vor sich. Man kann die Blau-Gelbe Staatsflagge regelrecht anfassen und das Land wird in Gedanken Blau-Gelb überflutet. Und da würde ich nun tatsächlich bald sein.
Aber ich will nicht das Schweden von ABBA und IKEA und schon mal gar nicht das von Volvo sehen. Ich will Elche! Am besten in der Hauptstadt. Ich will Pippi Langstrumpf die Straße entlang hüpfen sehen und mal gucken, ob ich nicht vielleicht Karlsson vom Dach irgendwo entdecken könnte. Ich will das Schweden Mankells – allerdings ohne Verbrechen – und endlose Wälder und Seengebiete. Ich will das goldene Schlüsselchen von Hans-Christian Andersen finden und mindestens einen Schweden treffen, der den Nachnamen Svensson trägt. Ich will die Gedichte und Lieder Belmanns am eigenen Leibe erfahren, aber bitte ohne die jeweils letzte Strophe seiner Lyrik, weil dann immer mindestens ein Gast im Wirtshaus ein ungeheuer alkoholisiertes Ableben hat. Gegen schwedische Fanschönheiten hätte ich selbstverständlich nichts einzuwenden, und gegen Elche schon dreimal nichts. Aber das könnte ich schon erwähnt haben.
Jedenfalls habe ich für all das nur 5 Tage Zeit. Gott hatte immerhin 2 mehr, um eine ganze Welt zu erschaffen. Wobei er meiner Meinung nach den Sonntag hätte nutzen sollen, um die Idee „Mensch“ ein bißchen auszufeilen.
Das Flughafentor öffnet gleich und ich fliege nach Stockholm. Den Elchen entgegen.

Hostel gesucht und gefunden – abendliches Résumé

(Mittwoch, 10.02.2010, 19:30 Uhr Abends im Hostel)
Es ist mittlweile halb Acht Uhr aben
ds, an meinem ersten Tag in Schweden. Ich sitze an einem Tisch in einem Hostel und muss überlegen, was ich bislang erlebt habe.
Nun ja, Elche habe ich noch nicht gesehen, auch noch niemanden kennen gelernt, der Svensson mit Nachnamen heißt. Karlsson vom Dach bin ich auch noch nicht begegnet, dafür habe ich Pippi getroffen. Als Puppe in einem Souveniershop. Ich habe einen wunderbaren Sonnenuntergang erlebt, eine imposante Stadtmauer bestiegen und mehrere Herzattacken auf Grund der Preise mehr oder weniger gut überstanden. Ich traf einen äußerst humorvollen Busfahrer, einen verwirrten aber sehr freundlichen Hostelangestellten und einen gemeingefährlichen Thailänder.
















(Das erste Mal Schweden, das erste Mal Stockholm, das erste Photo. Wenig spektakulär, dafür von unschätzbarem persönlichen Wert.)

Aber der Reihe nach. Als ich im Landeanflug auf Stockholm war und aus dem Fenster blickte ging mir das Herz auf: Dunkle Wälder, schneebedeckte Weiten mit Spuren von Mensch und Tier und hier und da ein rotes Häuslein. Wirklich wie im Märchen. (Ein Flug mit Ryanair ist jedoch ein Kapitel für sich.) Im Flughafen in Baden-Baden hat man mit ein Ticket für einen Transferbus nach Stockholm verkauft. Selbiges hielt ich außerhalb des Stockholmer Flughafens nun einem bärtigem Busfahrer (einer von ca. 100) unter die Nase, der mir ein paar freundliche Worte entgegenschmetterte und sich dann noch ein paar Späße mit einem ängstlich wirkenden Reisenden erlaubte. Nach dem Motto: „Naja, der Grund dafür, dass hier so sehr viele Busse fahren ist der, dass auf dem Weg nach Stockholm ca. 30% von ihnen Zusammenstöße mit Elchen haben und weitere 50% einfach so verschwinden.“ Verschwinden wollte ich nicht, aber den Elch hätte ich dann doch gerne gesehen.
Ich kam jedoch ohne viel Trara in Stockholm an. Ich weiß nicht genau, ob ich enttäuscht war, als ich einfuhr. Vielleicht habe ich nur etwas ganz anderes erwartet, aber der erste Eindruck war nicht das Stockholm, dass ich mir vorgestellt hatte. Die Häuser waren größer, weniger bunt und alt, und soviel Wasser, wie ich wollte, war auch nicht zu sehen. Nichtsdestoweniger musste ich zunächst einen Platz für die Nacht finden, was leichter war, als ich anfangs angenommen hatte.
Das dritte von drei überprüften Hostels sprach mir zu (das heißt, ich war bei „Nummer drei“ bereit, den Preis zu zahlen) und verdient nach dem ersten Eindruck und einer halben Stunde Aufenthalt ein Lob. „Run by Nordic“. Sehr empfehlenswert – nicht nur des Preises wegen. Ich bezahle hier 10 Euro/Nacht plus 5 Euro für Bettwäsche und Handtuch. Außerdem kann ich die Küche, Bad, Dusche kostenlos mitbenutzen und mich am Kaffeevorrat bedienen, was Nordic eventuell noch bereuen wird.

Koffeinmangel
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(Immer noch Mittwoch, 10.02.2010, im Hostel den Tag in Stockholm beschreibend)
Nachdem ich also mein Bett aus- und ins Hostel eingecheckt war, spazierte ich los. Ich lief aufs Geratewohl, im guten Gewissen heute nichts mehr machen zu müssen (außer ein paar „Alter Schwede-Sprüche“ vom Stapel zu lassen) und niemandem verpflichtet zu sein. Und das Wetter stimmte in diese Harmonie aus Sein und Werden ein. Die Sonne kam heraus und spiegelte sich im Fluss und im Eis, das das Wasser an einigen Stellen bedeckte. Die Gebäude wurden herrlich beleuchtet und ich ging eine große Einkaufsstraße hinunter, die ich im Stillen „Arbat“ betitelte. „Arbat“ deswegen, weil sie im ersten Moment ähnlich häßlich wirkte, wie Moskaus bedeutenste Einkaufsstraße – Arbat. Wie gesagt: Im ersten Moment. Mittlweile habe ich ihren Charme verstanden, aber der Name bleibt.
Während ich also Stockholms Arbat entlangschlenderte traf ich den eingangs erwähnten gemeingefährlichen Thailänder. Dieser stand an einer Straßenecke. Auf dem Rücken trug er ein Schild mit dem Namen eines Restaurants, sowie einem Pfeil, der in die Richtung der Lokalität zeigte. Von mir aus gesehen zunächst nach rechts. Das fiese nun aber war, dass der Kollege nicht still stand, sondern sich munter auf der Straße hin und her bewegte. Das wiederum hieß, dass das Restaurant mal vor, mal hinter, mal rechts und mal links von mir lag.
Ich sag ja: gemeingefährlich.
Wie dem auch sei. Ich ließ Thailänder und Arbat hinter mir und betrat die eigentliche Altstadt. Zumindest dachte ich, dass es die Altstadt war. Ein paar wichtig aussehende Gebäude, von denen ich leider nicht weiß, wie wichtig. Verwinkelte Gassen und eine eigenartige Ruhe, die von den Leute umher ausging, empfing mich. Ich durchquerte ein paar Gässchen und stand dann dort, wo laut einer Freundin ein preiswertes kleines Lokal sein sollte. Aber die Fenster waren leer. Schade.
Mein Körper schrie nach Koffein und mein Portemonnaie nach erschwinglichem obendrein.
Eigentlich in jeder Hinsicht ein Grund zur schlechten Laune. Aber ich beschloss die schlechte Laune dorthin zu schicken, wo der Pfeffer wächst, und marschierte weiter.

Bekämpfung des Koffeinmangels und Klischeebestätigungen

(Weiterhin Mittwoch, der 10.02.2010. Sh. oben)
Eine gute Entscheidung, denn ich entdeckte das Stockholm, dass ich mir vorgestellt hatte. Ein lang gestreckter Hafen mit prächtigen Schiffen im letzten Sonnenlicht. Jetzt noch ein Elch um die Häuserecke, und ich hätte diesen Ort wohl nie verlassen. Aber so ganz ohne Elch … ?
Ich ging über Umwege zurück in die Altstadt, erkundigte mich nach den Preisen für etwas essbares und Kaffee, fiel dreimal deswegen in Ohnmacht und einmal auf die Nase (kalt und Eis überall!) und kehrte letztendlich doch in ein nettes Café ein. Dort gönnte ich mir eine lächerlich überteuerte Suppe und einen Kaffee. Dabei hörte ich vertraute Laute: Polnisch vom Tisch neben mir. Auf dem Rückweg zum Hostel (über Umwege und mit dem Kauf von Knäckebrot und Leberwurst) bestätigten sich wieder einmal ein paar von mir, nach langem Beobachten, aufgestellten Klischees:
Die Russinnen erkennt man daran, dass sie bei jeder auf Erden möglicher Temperatur so knapp und schrill bekleidet sind, wie irgend möglich. Sie sind laut und schreien förmlich nach Aufmerksamkeit.
Spanier hingegen treten niemals in Gruppen unter fünf Leuten auf und legen ein möglichst männliches Benehmen an den Tag, um von allen anderen Unzulänglichkeiten abzulenken. Besonders Russinnen verfallen ihnen gerne. (Wobei Russinnen gerne jedem verfallen.)
Franzosen wiederum bleiben interessiert vor jedem Café stehen und schütteln wie beiläufig den Kopf, wenn ihnen etwas nicht passt. Und das ist immer der Fall.
Deutsche (Touristen) zeichnen sich ebenfalls durch Kopschütteln aus, allerdings dann über ein Nicht-Beachten von Fußgängerampeln, ungestreuten Straßen und gefährlichem Fahrverhalten.
Polen gibt es ausschließlich als Pärchen, meist zu viert, manchmal auch nur zu zweit. Es reden vornehmlich die Frauen.
Amerikaner sind, sobald es dunkel ist, betrunken und in gemischten Gruppen unterwegs. Holländer laufen mit einer beängstigenden Ruhe umher und Schweden unterscheiden sich von ihnen lediglich dadurch, dass sie den Wetterverhältnissen entsprechend gekleidet sind.
All dies beruht auf einer genauen, jahrelangen Beobachtung, ja fast schon Spionage und ist wissenschaftlich einwandfrei belegt. Von mir.
Nachdem ich ins Hostel zurück gekehrt war, setzte ich mich in die Küche zu einer Gruppe lärmender Amerikaner und einem polnischen Pärchen. Und das ist kein Scherz.

… Morgen sind die Museen dran ...
(22:05 Uhr, im Hostel, das Gedränge um mich herum betrachtend.)
Es ist mittlerweile 22:05, und meine Zimmermitbewohner sind soeben zurück gekommen. Ein weiteres polnisches Pärchen und ebenfalls kein Scherz. Ich werde noch ein wenig hier sitzen bleiben und mich ausruhen. Morgen sind die Museen dran.

Nachtrag

(Donnerstag, 11.02.2010)
Gestern abend, kurz bevor ich den Rückzug antreten wollte, tauchten meine Zimmergefährten aus der Kälte auf. Wir tranken Tee und unterhielten und noch eine Weile auf Polnisch. Hin- und wieder warf ich ein englisches Wort ein, wenn mir das polnische nicht einfiel.
Und dann, nachdem sich die Amerikaner verzogen hatten, tauchten wie nach Abmachung die Spanier auf. Erst sechs, dann acht, dann füllten sie den ganzen Raum aus. Auf dem Tisch standen urplötzlich zwei Flaschen Rum und eine Flasche Jägermeister. Anlass für Ewelina, Pawel (das die Namen der Polen) und mich ein wenig über unsere europäischen Landsleute herzuziehen. Es war wunderbar. Als uns das dann aber zu fade wurde, zogen wir uns zurück und gingen alsbald schlafen.

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