Sonntag, 28. März 2010

Schweden, Teil 3. Donnerstag. Der 11.02.2010.

Auf Umwegen zum Ziel und von Lachsen enttäuscht
(Donnerstag, 11.02.2010. Am Nachmittag in einem Café, den Tag bis hierher erzählend.)
Jetzt wollte ich eigentlich ins Astrid Lindgren Museum, aber gleichzeitig Kaffee und etwas Wärmendes zu Essen. Eintritt wäre 110 Kronen gewesen und ein Umweg in Gegenden, in denen es kein Café oder dergleichen gab. Schweren Herzens verschob ich also auch den Lindgren Museumsbesuch auf wärmere Tage und kehrte nach einer Weile bei einem Italiener ein, wo ich für einen fairen Preis alles erhielt, was ich wollte. Pizza und Kaffee. Über die Qualität will ich jedoch keine Worte verlieren. Der Tag war doch so schön bisher.
Auf jeden Fall stellte sich wieder die Frage nach dem wohin. Ich lief zunächst an eine Stelle am Hafen, wo ich schon am Morgen stand, und das Eis bewunderte. Jetzt, nur ein paar Stunden später war es zu dünnen Schollen zerbrochen. Und der Anblick weiterhin atemberaubend, weil die Sonne nicht sehr hoch stand und sich flach im Hafen spiegelte. Ich stand eine Weile an der Hafenreling, wohlwissend, dass trotz der winterlichen Temperaturen die Sonne gerade dabei war mein Gesicht zu verbrennen. Ich ging die Liste der Museen durch. Zur Auswahl blieben nach dem Ausschlussverfahren noch das historische und das mittelalterliche Museum. Und da das Geschichtsmuseum in einer Richtung lag, wo die Sonne nur gelegentlich den Weg durch die Häuserreihen finden würde, lief ich zum Mittaltermuseum. Nicht ohne auf dem Weg dorthin mehrmals den Fluss prüfend unter die Augen nehmend, in der Hoffnung, Lachse zu entdecken.

Ich fand keine, und auch das Museum schien verschwunden. Laut Karte befand ich mich genau auf ihm. Und nach langem überlegen kam ich zu dem messerscharfen Schluss, dass ich auch in der realen Welt
auf ihm stand. Ich fand ein paar Treppen, stieg hinab, prüfte noch einmal den Fluss – nichts – und sah mich dem Eingang des Museums gegenüber. Der Reiseführer versprach, dass die Stadtentwicklung Stockholms gezeigt werden würde.
Was soll ich sagen? Freier Eintritt, ein Museum in einem Kellergewölbe mit hervorragenden Exponaten und seht gut durchdacht. Ich fand's toll. Und dass es in diesem Museum ebenso kalt, wie in den vorher besuchten war irgendwie keine Überraschung mehr.

Das mittelalterliche Museum in Stockholm ist einem ans Herz zu legen und den freien Eintritt allemal wert.


Den Bierdurst mit Tee bekämpfen

(Donnerstag, 11.02.2010. Im Hostel. Die Zeit nach dem Kaffee im Café bis zum frühen Abend)

Als ich ins Freie trat stand ich eine Weile am Fluss herum, und hinter mir versank allmählich die Sonne. Ich fand, dass es Zeit für Kaffee war und ging in ein Café, in welchem ich schrieb und wartete, bis es schloss. (17 Uhr). Danach ging ich mehr oder weniger planlos die Hauptstraße auf und ab, immer wieder in Schaufenster spähend und ein ums andere Mal vor einer Bar stehen bleibend. Bei mir stellte sich die Lust auf ein gemütliches Kneipenbier ein. Samt einer anfangs handfesten und später immer loseren Diskussion, bei einem gemütlichen Kneipenbier. Aber alas, die Vernunft siegte. Ich trank stattdessen einen Tee und schrieb weiter. Dabei kam mir ein vorzüglicher Gedanke: Ich würde einfach Bier kaufen, und den Abend dann mit Pawel und Ewelina zusammen verbringen. Gesagt, getan. Dazu Schinken, Käse und Brot und der Abend war gerettet.
Leider kamen mir beide auf meinem Heimweg entgegen. Beladen mit ihrem Gepäck. Richtig! Sie hatten mir doch erzählt, dass sie heute gehen würden. Wir verabschiedeten uns voneinander und jeder ging seiner Wege.

Billigflieger, Dosenbier und ein Trinkspielkompromiss
(Donnerstag, den 11.02.2010 Revue passieren lassend. Am Freitag, den 12.02.2010.)
In meinem Hostelzimmer weckte ich zunächst einen Spanier, der nun einer von fünf neuen Mitbewohnern war. Dann packte ich das Bier in den Kühlschrank – alleine trinken? - und setzte mich an den Küchentisch. An selbigem fand sich kurze Zeit später ein Australier, Pete, ein. Wir unterhielten uns ein wenig uns alsbald waren wir zu dritt, da John, seines Zeichens Engländer, uns Gesellschaft leistete.
Ich verteilte mein Bier unter den neuen Tischgefährten und der Abend nahm seinen Lauf. John und Pete tauschten sich über ihre Reiseabenteuer aus, wobei sie sich nach Möglichkeiten in der Skurrilität ihrer Erfahrungen zu übertreffen versuchten. Erstaunt stellte ich fest, dass beide schon mindestens je ein Land auf jedem Kontinenten dieser und aller anderer Erden im Universum besucht hatten.
Ich schaltete eine Gehirnhälfte in das Gespräch mit ein und die andere aus. Nachdem ich so eine Weile im Halbbewusstsein vor mich hingetrunken hatte, bemerkte ich, dass sich der Anteil Nicht-Spanier : Spanier im Raum mittlerweile stark Richtung Madrid verschoben hatte. Auf einen Nicht-Spanier kamen drei Echte. John flüchtete, indem er für uns die nächste Runde Bier im Laden gegenüber besorgte. Pete und ich konzentrierten uns währenddessen darauf, uns gut an den Bierdosen festzuhalten.
Immer ein Spanier verschwand, und wenn er wieder auftauchte hatte er eine Flasche Rum mit dabei. Dann saßen sie zu zwölft am Tisch und spielten ein Kartenspiel, bei dem es darum ging zu trinken. Das habe ich noch nie ganz verstanden: Wozu benötigt man ein Spiel, um zu trinken? Ich meine, wenn ein Becher Cola-Rum vor mir steht, dann wird er irgendwann zwangsweise leer sein. Dazu muss ich nicht Karten umdrehen, Würfel schmeißen oder Bierbecher mit Tischtennisbällen bewerfen.
Zugegebenermaßen, es kann wirklich Spaß machen. Aber ich hätte da einen Kompromiss; quasi einen Vorschlag zur Güte:
Anstatt, dass der Verlierer trinken muss (worauf jedes Trinkspiel hinaus läuft), darf jeder trinken, was immer er mag, und vor allem wenn und wann er es mag. Als Verlierer aber muss man eine Anekdote erzählen, ein geschichtliches Ereignis schildern oder ein Bild von einem Elch zeigen. Da wäre ich sofort dabei!
Aber wo war ich? Richtig. Ich hielt mich mit aller Macht an meiner (leeren) Bierdose fest und startete meine ausgeschaltete Gehirnhälfte neu. Irgendwann kam John zurück, das Bier wurde leer, Pete holte neues, die Spanier wurden lauter, die Spanierinnen betrunkener und dann kamen noch drei neue Gäste. Zwei davon gesellten sich zu uns, an die Tischhälfte, die mit leeren Bierdosen geziert war, und stellten kurzerhand neue, volle Dosen dazu. Mike aus Kanada und Patricja aus Polen. Beide auf Erasmus in Finnland und nun im Urlaub in Schweden. Willkommen im Zeitalter der Billigflieger. Die Frage, ob sie Urlaub in Schweden machten, um in wärmere Gefilde zu kommen, verkniff ich mir.
Vom Abend war mir noch ein Dialog gut in Erinnerung:
John: „So, Mike, where are you from?“
Mike: „Canada.“
John: „Right. And what city?“
Mike: „Toronto.“
John: „Ah. Yeah, I've been there.“
Mike: „Aha.“
John: „A pretty shitty city.“

Donnerstag, 25. März 2010

Schweden, Teil 2.

Feueralarm und ein heroischer Gast
(Donnerstag, den 11.02.2010 beschreibend. Nachmittags in einem Café)

Ich schlief gut und ebenso begann der Morgen. Ich umging den Andrang auf die Waschräume mit einer Acht-Uhr-Dusche und nachdem ich geputzt und gestriegelt mein Frühstück beendet hatte, drückte einer der Hostelangestellten (Thailänder...) auf den Feueralarmknopf. Es sei erwähnt, dass im Haus nichts brannte. In der Straße auch nicht, und es würde mich nicht wundern, wenn in Stockholm auf Grund der eisigen Temperaturen bis Mitte Mai gar kein Feuer ausbrechen kann.
Dieser Witzbold hier allerdings schien anderer Auffassung zu sein. Fast stolz zeigte er mir noch den Knopf, den er (wohl versehentlich?) leicht gestreift hatte. Das ganze Haus und auch die gesamte Straße, wie ich später erfuhr, wurden von einem grauenvollen Piepen und Dröhnen und Hupen erfüllt. Bemerkenswert jedoch die Reaktion im Hostel: Ich für meinen Teil öffnete die Rezeptionstür, um die Echtheit des Alarms zu überprüfen. (Unecht, wie gezeigt.) Daraufhin kehrte ich in mein Zimmer zurück, um Pawel und Ewelina zu informieren. Hernach widmete ich mich dem Spülen. Der Alarm durchdrang dabei immer noch das ganze Haus. Der Thailänder versuchte per Handy seinen Chef zu erreichen. Um 8:30 Uhr ging der Alarm los. Um 8:40 Uhr zeigten sich die ersten verstörten Gäste. Vornehmlich Spanier, die sich über den Krach beschwerten, weil sie weiter schlafen wollten. Zwei Gäste immerhin erkannten den vermeintlichen Ernst der Lage und standen komplett angezogen und gepackt - bereit vor den Flammen zu fliehen. Da es keine Spanier waren, klärte ich sie auf, woraufhin sie in ihren Zimmern verschwanden. 8:45 Uhr. Ein Unter-Chef war eingetroffen und telefonierte ebenfalls. Der Thailänder hatte währenddessen seinen Putzwagen geschnappt und versuchte ihn durch die immer größere Menge Hostelgäste zu schieben, um seine Arbeit zu beginnen. 8:50 Uhr. Der Chef scheint einen ruhigen und festen Schlaf zu haben. In das Huten und Tuten den Alarms mischt sich immer lauter werdendes Gemurmel. Von der letzten Nacht gezeichnete Gesichter trinken den ersten Kaffee. Ein Spanier ist einfach nicht zu beruhigen und wird von seinen Gefährten folgerichtig ignoriert. Ich packte, sagte meinen selig schlummernden Nachbarn tschüß und ging los. Aber es ist schon erstaunlich, wie immun wir in unserem behüteten Europa gegen ernst zu nehmende Probleme sind: Da geht um halb neun Uhr in der Frühe ein Feueralarm los, und es dauert 10 Minuten, bis die ersten fliehen wollen. Wer schon mal ein Feuer gesehen hat, der weiß, dass ein Funke keine 10 Minuten braucht, um zu einem unangenehmen Problem zu werden. Unnötig zu erwähnen, dass im Falle eines wirklichen Feuers alle Hostelgäste von dem einzigen, vernünftig denkendem Gast in waghalsigen Aktionen gerettet hätten werden müssen. Woraufhin dieser Gast mit unzähligen Orden, Preisen und Aufmerksamkeit belohnt hätte werden sollen. Mit diesen heroischen Gedanken machte ich mich auf den Weg. Das erste Ziel, sollte das Vasamuseum sein.

Warten auf die Vasa

(Donnerstag, 11.02.2010. Am Nachmittag in einem Café, den Tag bis hierher erzählend.)

Das Vasamuseum beherbergt eine Art schwedisches Nationalsymbol: Ein im 17. Jahrhundert bei der Jungfernfahrt gesunkenes Schiff. Na, wenn das mal nicht Spannung versprach.
Ich hatte in weiser Voraussicht zwei Pullover angezogen, aber trotzdem durchdrang mich die Kälte nach nur ein paar Schritten. Es war sonnig, aber lausig kalt und als ich nach einer halben Stunde am Museum ankam, wünschte ich mir ein kleines Feuerchen herbei … . Stattdessen musste ich jedoch noch eine Stunde warten, bis das Museum öffnete. Ich sah mir die aufsteigende Sonne an, die schwindenden Nebel, die kleinen, schaukelnden Schiffchen, und das Eis, das einen Teil des Hafens bedeckte. Ein Bild voller Ruhe und Erholsamkeit. Und Kälte, falls ich das noch nicht erwähnt hatte.
(Es war wirklich lausig kalt)

Ich dachte ein wenig darüber nach, was ich vom Vasamuseum gehört und gelesen hatte. Es soll wirklich etwas besonderes sein und sehr toll. Jede Krone wert und eine Bereicherung. Zwar konnte ich mir nicht ganz vorstellen, wie ein bei er Jungfernfahrt gesunkenes Schiff, sprich ein Paradebeispiel für menschliches Versagen (Hallo? Wenn ich ein Schiff baue, dann ist mein Hauptaugenmerk darauf gerichtet, dass es schwimmt!!!) zu einem wichtigen Symbol aufgewertet konnte, aber ich war gerne bereit, mich überraschen zu lassen. Zumal es draußen richtig kalt war. Das Geheimnis ist nicht so sehr das Schiff, als viel mehr der Fund und die Bergung selbigens. Quasi nicht der Goldteller, den man verloren hat, sondern der Fakt, dass man ihn unversehrt wieder gefunden hat. (Oder ein aktuelleres Beispiel: Nicht die Gitarre, die verloren wurde, sondern das Wiedererlangen selbiger). Aber langsam. Das Museum erfüllte alle Vorhersagen. Es war schlicht und ergreifend großartig. Die Kassiererin ließ meinen lächerlichen Papierstudentenausweis der „Elite“ Universität Heidelberg gelten, und ich bezahlte den ermäßigten Preis. Schon das allein wäre für mich Grund genug, das Museum in den höchsten Tönen zu loben. Ich betrat eine riesige Halle, in der ein riesiges Schiff alles überstrahlte. Um das ganze gewissenhaft anzugehen (ich hatte, ehrlich gesagt nur zwei Zeilen im Reiseführer über den Hintergrund des Schiffes gelesen) schaute ich mir zunächst einen 25minütigen Film über das Was und Warum der Vasa an. (Vasa, übrigens, ist der Name des Schiffes).

Was passiert, wenn ich nicht um Rat gebeten werde.

(Weiterhin den 11.02. beschreibend, mittlerweile bei der zweiten Tasse Kaffee angelangt)

Demnach befahl der schwedische König Gustav II um 1620 herum den Bau des Schiffes. Es sollte in erster Linie prunkvoll sein und außerdem seine Macht widerspiegeln.
(Hier aber zeigt sich schon der alles entscheidende Fehler: Ich hätte gesagt es muss: 1) SCHWIMMEN! 2) Prunkvoll sein 3) Meine Macht widerspiegeln) Aber weiter. Schweden war zu dieser Zeit im Krieg mit Polen. (Wieder muss ich einhaken: Was kann einen dazu bewegen, mit Polen einen Streit anzufangen? Ging es darum, wer der gastfreundlichste von beiden ist?) Nochmal: Schweden war zu der Zeit im Krieg mit Polen und wollte den Gegner beeindrucken. Als ob sich die Polen von einem Stück Holz, das schwimmt (oder auch nicht) beeindruckt gezeigt hätten. Einen Polen beeindruckt man, indem man ihm zeigt, wie man einen Streit mit seiner Frau gewinnt. Und wieder einmal ist bewiesen, wie unvernünftig es ist, mich nicht um Rat zu fragen. Aber ich schweife ab. Gustav also befahl den Bau der Vasa und das es nur vernünftig sein kann, was ein König befiehlt, begann man Bäume zu fällen, Leinen zu weben und all das zu tun, was für einen Schiffsbau notwendig ist. Dummerweise änderte Gustav während der Bauarbeiten mehr als einmal seine Meinung. So befahl er beispielsweise nicht nur eine Reihe von Kanonenvorrichtungen auf jeder Seite, sondern zwei je übereinander liegende. Das jedoch hätte eine Erweiterung des Schiffrumpfes in die Breite verlangt, was beim damaligen Baustand nicht mehr durchzuführen war. Außerdem wurden zum Bau Holländer angestellt, die damals als Pioniere des Schiffbaus galten. Nun ist es aber naturgegeben so, dass die Kanäle in Holland eher flach sind. Zumindest weit weniger tief, als die Ostsee, auf der die Vasa letztendlich schwimmen sollte. Das wiederum hatte zur Folge, dass die Holländer den Rumpf ihrer Schiffe generell weniger breit bauten, als es notwendig gewesen wäre. Anstatt also den König auf diese Unstimmigkeiten hinzuweisen, wurde gebaut und gehämmert und gestaunt und am 10. August 1628 versammelte sich eine nicht zu verachtende Menschenmenge auf den Hafenanlagen Stockholms, um zu sehen, nun ja, um zu sehen, wie dumm es ist, mich nicht um Rat zu fragen. Laut Chronik wippte das Schiff ein paar Mal auf und ab, ein paar Segel flatterten und dann legte es sich langsam auf die Seite. Die zwei übereinander liegenden Kanonenreihen ließen das Wasser wunderbar hinein laufen, und die Vasa sank noch im Stockholmer Hafen. Und das größte Wunder kommt meiner Meinung nach erst noch: Man hat 333 Jahre lang vergessen, wo es sank. Ja ist denn das zu fassen? Da steht halb Stockholm am Hafen, ein 69m langes Schiff sinkt, die Stadt guckt zu, fährt dann noch mit Rettungsbooten zur Unfallstelle, und vergisst dann den genauen Ort? Man barg zwar ein paar Jahre später die Kanonen, aber so gar keine Aufzeichnung und Ortsbestimmung?

Die Vasa wird geborgen

(Donnerstag, den 11.02. Revue passieren lassend. Nach mehrmaligem Toilettengang im Café)

951 fand ein Hobbyarchäologe – der meiner Meinung nach der Held der Geschichte ist – mit Hilfe eines selbst gebauten Gerätes das Wrack. Er ließ an einem langen Seil (Wir erinnern uns: Die Ostsee ist tiefer, als ein holländischer Kanal) systematisch einen Metallpfeil zum Grund hinab, in der Hoffnung, dass sich in der hohlen Spitze des Pfeils ein bißchen Holz des Wracks festsetzt. Und tatsächlich holte er alsbald ein Stück alter Eiche nach oben. Die Vasa war wieder gefunden und die Bergung, über die das Museum ebenfalls ausführlich berichtet, ist mindestens ebenso bewundernswert wie der Untergang und der Fund.
Taucher bohrten in ca. 6m Tiefer unter dem Wrack sechs Tunnel, in die hernach Stahlseile eingeführt wurden. Dann postierten sich zwei Trägerschiffe links und rechts über der Vasa und Winden begannen die Stahlseile gleichmäßig nach oben zu ziehen. Das Wrack hielt, die Seile und das Vertrauen der Bergungsmannschaft ebenfalls und irgendwann stand die Vasa resaurationsfertig wieder im Stockholmer Hafen. Nach 333 Jahren. 17 Jahre lang tüftelte, schaufele und suchte man an ihr herum und heute kann man das Wrack bestaunen. Es ist wirklich einmalig.

Kälteresistente Schweden und ausgestopfte Schwalben
(immernoch Donnerstag, den 11.02.2010 beschreibend, schreibend, schreibend...)

Das Museum ist auf sieben Etagen verteilt. Im das Schiff herum führen auf jeder Ebene Emporen mit Erläuterungen der Struktur des Schiffes und zu den Lebensverhältnissen in Stockholm zu jener Zeit. Fundstücke und Skelette von Bord der Vasa, deren Gesichter rekonstruiert wurden, sowie knappe, dabei höchst informative Plaketten runden das ganze ab. Ich brachte zwei Stunden im Museum zu. Der einzige meteorologische Unterschied zur Welt außerhalb der Halle bestand im fehlenden Wind. Ich behaupte, dass bei Schweden der Punkt, an dem sie das Wort „kalt“ benutzen würden, ab einer Temperatur unterhalb des dreistelligen Minusbereiches einsetzt.
„Sag mal, Sven, was hält dich so fit?“ „Naja, ich gehe jeden Morgen eine Stunde im See schwimmen.“ „Bei den Temperaturen?“ „Ach weißt du, mit der Axt ist die 50cm dicke Eisschicht schnell durchbrochen. …“ Ich plante den weiteren Verlauf des Tages. Ich wollte Museen seh'n, Seen sehen, Sehnen dehnen, nach denen ich mich schon lange gedehnt gesehnt habe. Gesagt, getan. Ich streckte meine Beine, warf einen Blick auf einen zugefrorenen See dem Museum gegenüber und machte mich auf den Weg zum Aquarium. Selbiges lag leider innerhalb eines Parks, den ich zwar gerne besucht hätte, aber dessen Eintrittspreis mich ein wenig abschreckte. Außerdem machte er den Eindruck, als ob er eine super Sommerattraktion wäre. So verlegte ich den Besuch auf wärmere Tage. Auf dem Rückweg kam ich am Biologiemuseum vorbei. Zwar sagte der Reiseführer nur, dass man die gesamte skandinavische Tierwelt zu sehen bekäme, aber für ein paar ausgestopfte Tiere 30 Kronen … . Jedoch gefiel mir das Haus von außen (eine Art überdimensionale Schwedenhütte) und ich hegte die törichte Hoffnung, dass es drinnen wärmer wäre. Ich trat ein, und es war alles andere, als ein Fehler. Das Mann am Schalter – er sah verdächtig nach einem Erik aus – fragte mich freundlich, ob ich etwas über das Museum wüsste. Ich hatte zwar gelesen, dass es einem Maler gehörte, aber ich verneinte seine Frage höflich. Ich hatte das Gefühl, als ob er nicht oft die Gelegenheit bekäme, mit echten Lebewesen zu kommunizieren, und wollte ihm die Freude tun. Erik schien auch sichtlich erfreut und begann einen kurzen Vortrag über das Haus. Es war eine um 1830 gebaute Kirche nach norwegischem Stil, die quasi von Beginn an eine Ausstellung der skandinavischen Tierwelt beherbergte. Ein Maler, der mit seinem Kumpel des öfteren auf die Jagd ging, um gefährliche Finken und blutrünstige Schwalben zu schießen, sammelte nach und nach alles, was er an Tieren in die Hände bekam. Erik erklärte fast entschuldigend, dass das Haus nur aus zwei Etagen mit ca. 200 Exponaten bestand. Mit einem Lächeln fügte er jedoch hinzu, dass die Tiere nicht leblos auf irgendwelchen Baumstümpfen säßen, sondern leblos in ihrer „natürlichen Umgebung“. Ich fand das ein bißchen übers Ziel hinausgeschossen, aber zu Eriks Verteidigung muss ich sagen, dass es zumindest ein wenig Abwechslung bot, die Tiere im Schilf, in Bäumen oder auf Felsvorsprüngen zu sehen, als nur stur auf … naja, worauf eben normalerweise ausgestopfte Tiere stehen. Obwohl sich mir immer noch nicht ganz erschließt, was einen dazu bewegt, ein so harmloses Wesen wie ein Reh oder einen Dompfaff hinterrücks abzuknallen. Aber wie schon im Vasamuseum zählte hier wohl eher das Wie und nicht so sehr das Was. Ich war jedenfalls nicht gänzlich abgetan, zumal mir Erik endlich meinen Elch bescherte.

Mittwoch, 24. März 2010

Reise nach Stockholm. 10.02.2010 bis 14.02.2010

Lieber Leser. Endlich ist es soweit: Das Stockholmreisetagebuch begibt sich online. Ich habe diesmal die Abenteuer mit Untertiteln versehen, was einen besseren Überblick erlaubt. Ansonsten ist auch hier wieder allseits geschätzte Subjektivität und einwandfreie, 100%ige Wirklichkeit, auf der Basis meiner Beobachtungen gegeben. Samt aller gängigen Vorurteile. Viel Spaß!
Dein Robert.


Elche, Karlsson vom Dach und Elche – Gedanken vor dem Abflug

(Mittwoch, 10.02.2010; Flughafen Baden-Baden)
Schweden. Bei diesem Wort verdichten sich die Gedankenstränge – ganz im Sinne von Ferdinand de Saussure – zu Bildern. Zu Bildern wie Volvo, ABBA (mit dazugehöriger Dancing Queen) und natürlich zu IKEA. Man sieht förmlich die Schönheiten im schwedischen Fanblock während der WM 2006 und allen anderen Turnieren, an denen Schweden teilgenommen hat vor sich. Man kann die Blau-Gelbe Staatsflagge regelrecht anfassen und das Land wird in Gedanken Blau-Gelb überflutet. Und da würde ich nun tatsächlich bald sein.
Aber ich will nicht das Schweden von ABBA und IKEA und schon mal gar nicht das von Volvo sehen. Ich will Elche! Am besten in der Hauptstadt. Ich will Pippi Langstrumpf die Straße entlang hüpfen sehen und mal gucken, ob ich nicht vielleicht Karlsson vom Dach irgendwo entdecken könnte. Ich will das Schweden Mankells – allerdings ohne Verbrechen – und endlose Wälder und Seengebiete. Ich will das goldene Schlüsselchen von Hans-Christian Andersen finden und mindestens einen Schweden treffen, der den Nachnamen Svensson trägt. Ich will die Gedichte und Lieder Belmanns am eigenen Leibe erfahren, aber bitte ohne die jeweils letzte Strophe seiner Lyrik, weil dann immer mindestens ein Gast im Wirtshaus ein ungeheuer alkoholisiertes Ableben hat. Gegen schwedische Fanschönheiten hätte ich selbstverständlich nichts einzuwenden, und gegen Elche schon dreimal nichts. Aber das könnte ich schon erwähnt haben.
Jedenfalls habe ich für all das nur 5 Tage Zeit. Gott hatte immerhin 2 mehr, um eine ganze Welt zu erschaffen. Wobei er meiner Meinung nach den Sonntag hätte nutzen sollen, um die Idee „Mensch“ ein bißchen auszufeilen.
Das Flughafentor öffnet gleich und ich fliege nach Stockholm. Den Elchen entgegen.

Hostel gesucht und gefunden – abendliches Résumé

(Mittwoch, 10.02.2010, 19:30 Uhr Abends im Hostel)
Es ist mittlweile halb Acht Uhr aben
ds, an meinem ersten Tag in Schweden. Ich sitze an einem Tisch in einem Hostel und muss überlegen, was ich bislang erlebt habe.
Nun ja, Elche habe ich noch nicht gesehen, auch noch niemanden kennen gelernt, der Svensson mit Nachnamen heißt. Karlsson vom Dach bin ich auch noch nicht begegnet, dafür habe ich Pippi getroffen. Als Puppe in einem Souveniershop. Ich habe einen wunderbaren Sonnenuntergang erlebt, eine imposante Stadtmauer bestiegen und mehrere Herzattacken auf Grund der Preise mehr oder weniger gut überstanden. Ich traf einen äußerst humorvollen Busfahrer, einen verwirrten aber sehr freundlichen Hostelangestellten und einen gemeingefährlichen Thailänder.
















(Das erste Mal Schweden, das erste Mal Stockholm, das erste Photo. Wenig spektakulär, dafür von unschätzbarem persönlichen Wert.)

Aber der Reihe nach. Als ich im Landeanflug auf Stockholm war und aus dem Fenster blickte ging mir das Herz auf: Dunkle Wälder, schneebedeckte Weiten mit Spuren von Mensch und Tier und hier und da ein rotes Häuslein. Wirklich wie im Märchen. (Ein Flug mit Ryanair ist jedoch ein Kapitel für sich.) Im Flughafen in Baden-Baden hat man mit ein Ticket für einen Transferbus nach Stockholm verkauft. Selbiges hielt ich außerhalb des Stockholmer Flughafens nun einem bärtigem Busfahrer (einer von ca. 100) unter die Nase, der mir ein paar freundliche Worte entgegenschmetterte und sich dann noch ein paar Späße mit einem ängstlich wirkenden Reisenden erlaubte. Nach dem Motto: „Naja, der Grund dafür, dass hier so sehr viele Busse fahren ist der, dass auf dem Weg nach Stockholm ca. 30% von ihnen Zusammenstöße mit Elchen haben und weitere 50% einfach so verschwinden.“ Verschwinden wollte ich nicht, aber den Elch hätte ich dann doch gerne gesehen.
Ich kam jedoch ohne viel Trara in Stockholm an. Ich weiß nicht genau, ob ich enttäuscht war, als ich einfuhr. Vielleicht habe ich nur etwas ganz anderes erwartet, aber der erste Eindruck war nicht das Stockholm, dass ich mir vorgestellt hatte. Die Häuser waren größer, weniger bunt und alt, und soviel Wasser, wie ich wollte, war auch nicht zu sehen. Nichtsdestoweniger musste ich zunächst einen Platz für die Nacht finden, was leichter war, als ich anfangs angenommen hatte.
Das dritte von drei überprüften Hostels sprach mir zu (das heißt, ich war bei „Nummer drei“ bereit, den Preis zu zahlen) und verdient nach dem ersten Eindruck und einer halben Stunde Aufenthalt ein Lob. „Run by Nordic“. Sehr empfehlenswert – nicht nur des Preises wegen. Ich bezahle hier 10 Euro/Nacht plus 5 Euro für Bettwäsche und Handtuch. Außerdem kann ich die Küche, Bad, Dusche kostenlos mitbenutzen und mich am Kaffeevorrat bedienen, was Nordic eventuell noch bereuen wird.

Koffeinmangel
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(Immer noch Mittwoch, 10.02.2010, im Hostel den Tag in Stockholm beschreibend)
Nachdem ich also mein Bett aus- und ins Hostel eingecheckt war, spazierte ich los. Ich lief aufs Geratewohl, im guten Gewissen heute nichts mehr machen zu müssen (außer ein paar „Alter Schwede-Sprüche“ vom Stapel zu lassen) und niemandem verpflichtet zu sein. Und das Wetter stimmte in diese Harmonie aus Sein und Werden ein. Die Sonne kam heraus und spiegelte sich im Fluss und im Eis, das das Wasser an einigen Stellen bedeckte. Die Gebäude wurden herrlich beleuchtet und ich ging eine große Einkaufsstraße hinunter, die ich im Stillen „Arbat“ betitelte. „Arbat“ deswegen, weil sie im ersten Moment ähnlich häßlich wirkte, wie Moskaus bedeutenste Einkaufsstraße – Arbat. Wie gesagt: Im ersten Moment. Mittlweile habe ich ihren Charme verstanden, aber der Name bleibt.
Während ich also Stockholms Arbat entlangschlenderte traf ich den eingangs erwähnten gemeingefährlichen Thailänder. Dieser stand an einer Straßenecke. Auf dem Rücken trug er ein Schild mit dem Namen eines Restaurants, sowie einem Pfeil, der in die Richtung der Lokalität zeigte. Von mir aus gesehen zunächst nach rechts. Das fiese nun aber war, dass der Kollege nicht still stand, sondern sich munter auf der Straße hin und her bewegte. Das wiederum hieß, dass das Restaurant mal vor, mal hinter, mal rechts und mal links von mir lag.
Ich sag ja: gemeingefährlich.
Wie dem auch sei. Ich ließ Thailänder und Arbat hinter mir und betrat die eigentliche Altstadt. Zumindest dachte ich, dass es die Altstadt war. Ein paar wichtig aussehende Gebäude, von denen ich leider nicht weiß, wie wichtig. Verwinkelte Gassen und eine eigenartige Ruhe, die von den Leute umher ausging, empfing mich. Ich durchquerte ein paar Gässchen und stand dann dort, wo laut einer Freundin ein preiswertes kleines Lokal sein sollte. Aber die Fenster waren leer. Schade.
Mein Körper schrie nach Koffein und mein Portemonnaie nach erschwinglichem obendrein.
Eigentlich in jeder Hinsicht ein Grund zur schlechten Laune. Aber ich beschloss die schlechte Laune dorthin zu schicken, wo der Pfeffer wächst, und marschierte weiter.

Bekämpfung des Koffeinmangels und Klischeebestätigungen

(Weiterhin Mittwoch, der 10.02.2010. Sh. oben)
Eine gute Entscheidung, denn ich entdeckte das Stockholm, dass ich mir vorgestellt hatte. Ein lang gestreckter Hafen mit prächtigen Schiffen im letzten Sonnenlicht. Jetzt noch ein Elch um die Häuserecke, und ich hätte diesen Ort wohl nie verlassen. Aber so ganz ohne Elch … ?
Ich ging über Umwege zurück in die Altstadt, erkundigte mich nach den Preisen für etwas essbares und Kaffee, fiel dreimal deswegen in Ohnmacht und einmal auf die Nase (kalt und Eis überall!) und kehrte letztendlich doch in ein nettes Café ein. Dort gönnte ich mir eine lächerlich überteuerte Suppe und einen Kaffee. Dabei hörte ich vertraute Laute: Polnisch vom Tisch neben mir. Auf dem Rückweg zum Hostel (über Umwege und mit dem Kauf von Knäckebrot und Leberwurst) bestätigten sich wieder einmal ein paar von mir, nach langem Beobachten, aufgestellten Klischees:
Die Russinnen erkennt man daran, dass sie bei jeder auf Erden möglicher Temperatur so knapp und schrill bekleidet sind, wie irgend möglich. Sie sind laut und schreien förmlich nach Aufmerksamkeit.
Spanier hingegen treten niemals in Gruppen unter fünf Leuten auf und legen ein möglichst männliches Benehmen an den Tag, um von allen anderen Unzulänglichkeiten abzulenken. Besonders Russinnen verfallen ihnen gerne. (Wobei Russinnen gerne jedem verfallen.)
Franzosen wiederum bleiben interessiert vor jedem Café stehen und schütteln wie beiläufig den Kopf, wenn ihnen etwas nicht passt. Und das ist immer der Fall.
Deutsche (Touristen) zeichnen sich ebenfalls durch Kopschütteln aus, allerdings dann über ein Nicht-Beachten von Fußgängerampeln, ungestreuten Straßen und gefährlichem Fahrverhalten.
Polen gibt es ausschließlich als Pärchen, meist zu viert, manchmal auch nur zu zweit. Es reden vornehmlich die Frauen.
Amerikaner sind, sobald es dunkel ist, betrunken und in gemischten Gruppen unterwegs. Holländer laufen mit einer beängstigenden Ruhe umher und Schweden unterscheiden sich von ihnen lediglich dadurch, dass sie den Wetterverhältnissen entsprechend gekleidet sind.
All dies beruht auf einer genauen, jahrelangen Beobachtung, ja fast schon Spionage und ist wissenschaftlich einwandfrei belegt. Von mir.
Nachdem ich ins Hostel zurück gekehrt war, setzte ich mich in die Küche zu einer Gruppe lärmender Amerikaner und einem polnischen Pärchen. Und das ist kein Scherz.

… Morgen sind die Museen dran ...
(22:05 Uhr, im Hostel, das Gedränge um mich herum betrachtend.)
Es ist mittlerweile 22:05, und meine Zimmermitbewohner sind soeben zurück gekommen. Ein weiteres polnisches Pärchen und ebenfalls kein Scherz. Ich werde noch ein wenig hier sitzen bleiben und mich ausruhen. Morgen sind die Museen dran.

Nachtrag

(Donnerstag, 11.02.2010)
Gestern abend, kurz bevor ich den Rückzug antreten wollte, tauchten meine Zimmergefährten aus der Kälte auf. Wir tranken Tee und unterhielten und noch eine Weile auf Polnisch. Hin- und wieder warf ich ein englisches Wort ein, wenn mir das polnische nicht einfiel.
Und dann, nachdem sich die Amerikaner verzogen hatten, tauchten wie nach Abmachung die Spanier auf. Erst sechs, dann acht, dann füllten sie den ganzen Raum aus. Auf dem Tisch standen urplötzlich zwei Flaschen Rum und eine Flasche Jägermeister. Anlass für Ewelina, Pawel (das die Namen der Polen) und mich ein wenig über unsere europäischen Landsleute herzuziehen. Es war wunderbar. Als uns das dann aber zu fade wurde, zogen wir uns zurück und gingen alsbald schlafen.