Mittwoch, 5. November 2008

Alarm, mein Orientierungssinn geht angeln!

Habe ich jemals erwähnt, dass ich Polen mag? Ich hoffe nicht. Ich hoffe nicht, dass ich jemals solch eine unvernünftige Aussage gemacht habe. Polen sind verrückt. Polen sind Mörder und Polizist, sie sind Engel und Teufel zugleich, sie sind Dr. Jekyl und Mr. Hyde. Ungefähr klar, worauf ich hinaus will? Polen können die liebsten Menschen sein (nach den Tschechen), denen man je begegnen wird. Lass es einen kalten Wintertag sein, und sie nehmen dich in ihrem Haus auf und geben dir alles, was du brauchst. Sie können mit dir am Ticketschalter ein Gespräch über deine Schulzeit beginnen (so geschehen heute) oder dir ohne etwas dafür haben zu wollen ihre Opernkarte anbieten.
Aber wehe du wagst es dich an ihrem Verkehr zu beteiligen. Sei es, dass du Kritik an der Organisation äußerst oder gar aktiv ins Geschehen auf der Straße eingreifst. Letztes Jahr begingen ca. 3500 Menschen in Polen Selbstmord, die meisten zwischen 16 und 21 Jahren alt. Mich wundert die Zahl nicht. Also doch, mich wundert, dass so viele den Freitod wählten, aber ich habe keine Zweifel daran, wie sie umgekommen sind. Diese armen Gestalten sind ganz einfach aus dem Haus gegangen. Auf die Strasse. Und zwar ohne Panzer, wie sich das gehört. Nein, ganz einfach im eigenen PKW oder noch schlimmer: zu Fuß. Die Chance von einem Auto erfasst zu werden ist in Polen unglaublich hoch. Das liegt nicht an den maroden Straßenverhältnissen oder an der mangelnden Übersicht (vor unserem Wohnheim ändert sich die Straßenführung alle 2 Tage – und das ist nicht erlogen), sondern schlicht und ergreifend am Fahrstil der Polen. Ach, was sag ich Fahrstil. Mit „Stil“ hat das nichts zu tun. Es kommt einem vor, als transferierten die Polen – ähnlich wie so manche Amerikaner oder seit Kurzem auch Finnen – Computerspiele in die Realität. Während es jenseits des großen Teichs jedoch eher Shooterspiele sind, handelt es sich in Polen um eine direkte Nachahmung des Spiels GTA. (Wer das nicht kennt: Es geht darum mit einem Auto möglichst viel Schaden anzurichten; sprich Menschen umzufahren oder Autos in Brand zu setzen). Sogar einige Franzosen zeigen sich beeindruckt. Als eines Nachts vor unserer Tür bei einem Autohändler sieben Neuwagen auf mysteriöse Art und Weise jeder mit einem lauten Knall explodierte und in Flammen aufging, fühlte sich Silvain wie in Paris zur Silvesterzeit. (Er hat erzählt, dass ein beliebtes Spiel der Pariser zu Silvester darin besteht, wer die meisten Autos in einer Nacht anzünden kann. Er sagt der Rekord liegt bei ca. 200. Dieses Jahr soll es spannender werden, weil zwei neue Gangs dazu gestoßen sind).
Aber zurück zur polnischen Straße. Erstaunlich für mich ist, wie viele alte Menschen es gibt. Ich weiß nicht, wie sie es schaffen 80 und mehr Jahre durchs Leben, bzw. durch die Straßen einer polnischen Stadt zu gehen, ohne dabei angefahren zu werden. Denn die Autofahrer halten nicht an. Und das meine ich so, wie ich es schreibe. Allenfalls gehupt wird, um auf sich aufmerksam zu machen. Oder was für ein Depp der Fußgänger ist, der unbedingt dann die Straße überqueren will, wenn man mit dem Auto angefahren kommt. Rot leuchtende Ampeln sind allenfalls ein mickriger Beitrag zur Silvesterzeit. Gehalten wird nur, wenn es die Zeit und die Laune erlaubt.
Also: Falls ihr vorhabt mit dem Auto nach Polen zu kommen, dann holt Euch vorher eine hohe Lebensversicherung. Aber eine verdammt hohe.

Ich war joggen. Kein Witz. Ich habe meine Schuhe angeschnallt und bin losgerannt. Und zwar nicht, weil ich denke, dass ich zu fett bin oder weil Laufen schlicht und ergreifend mein Hobby ist und es mich glücklich macht. Nein, ich war joggen, weil die NBA-Saison vor kurzem begonnen hat. Ich weiß, dass das unlogisch klingt, also lasst es mich kurz erklären:
Seit ich im Internet wieder Zusammenfassungen oder gar ganze Spiele der NBA sehen kann, ergreift mich diese körperliche Unruhe, und dieses ungewöhnliche Jucken in den Fingern. Zurückzuführen selbstverständlich auf fehlende Bewegung und kein Basketballtraining. „Aha“ mag jetzt mancher sagen, „Ich verstehe: Weil er Basketball sehen kann hat er Lust zu spielen, und ist daher zum Ausgleich joggen gegangen.“ Leider war es nicht ganz so, denn erst kommt noch mein nicht vorhandener Orientierungssinn ins Spiel. (Haha, „er kommt ins Spiel“ – ungewollt, aber trotzdem geschrieben… nun ja.) Ich habe mir von meiner französischen und Basketball spielenden Nachbarin sagen lassen, dass das Team der Männer dienstags dort und dort trainieren würde. Demnach habe ich mich kurzerhand am letzten Dienstag in den (gepanzerten) Bus gesetzt und bin Richtung Sporthalle gefahren. Als ich jedoch 20 Minuten später (unversehrt!) den Bus verließ, habe ich erstmal prüfend die Augen zusammengekniffen, die Lippen geschürzt und einen Blick in die Runde geworfen. Leere. Wohnsiedlung. Kinder auf der Straße. Aber sicherlich keine Sporthalle im Umkreis von mehreren Kilometern zu entdecken. Was soll ich sagen? Ich hatte TROTZ STADTPLAN nicht den Hauch einer Ahnung, wie ich in diese Einöde verschlagen worden war. Da half alles Umherlaufen und Fragen nichts. Ich bin ein wenig deprimiert wieder in den Bus zurück gestiegen und dann an der Oder entlang gejoggt. Und hier traf mich die nächste Enttäuschung: Meiner Kondition geht es eben so gut, wie meinem Orientierungssinn. Obwohl ich jeden Tag zur Uni gehe, dass heißt eine halbe Stunde zu Fuß zurück lege, musste ich nach fünf Minuten mein Vorhaben abbrechen, denn ich wollte ja schließlich noch irgendwie zurück. Komplettiert wurde meine Depression, als mich auf dem Rückweg fröhlich lärmend eine Fußballmannschaft von 14 jährigen Mädels überholte.
Ich esse jetzt viel mehr Joghurt und Obst und diese seltsamen Dinge. Vielleicht kommt ja meine Kondition so von ganz alleine zurück.

Andere tolle Dinge, die passiert sind: Ich war angeln! Schon mehrmals. Ich habe den Plan in die Tat umgesetzt und mich ein wenig mit dem nötigen Equipement ausgestattet und auch schon Fische gefangen. Das Wetter hier ist einfach zu schön, um irgendwie den ganzen Tag mit Lesen oder in der Bude hocken zu verbringen.
Außerdem habe ich seit gestern eine Tandempartnerin. Das heißt, dass es hoffentlich mit meinem Polnisch bald ein wenig bergauf geht. Sie ist sehr geduldig (was man angesichts meiner Sprachkenntnisse unbedingt sein muss) und möchte später auch gerne ihr Deutsch auffrischen.
Nächste Woche habe ich von Montag – Mittwoch keine Uni, was ich ausnutzen werde, um nach Berlin zu fahren. Morgen nach der Vorlesung geht es los, und am Donnerstag in einer Woche komme ich wieder.
Und zu guter Letzt: FABIAN KOMMT MICH BESUCHEN!!! Der Hammer. Total geil. Es gibt wohl einen Flug für 17 Euro von Frankfurt Hahn nach Wroclaw. Ich freu mich drauf, super!!!

Also dann: Ich habe festgestellt, dass ich nichts mehr zum Essen zu Hause habe. Muss wohl einkaufen – das heißt auf die Straße gehen. Ich werde mal die Bundeswehr anrufen, vielleicht haben die noch einen kleinen Panzer übrig. Ui, political incorrect: ein deutscher Panzer in Wroclaw … ui ui ui. Hab ich das echt gesagt?


Robert

PS: Quizfrage: Wie lange hält die Batterie eines (hellblauen, alten) Audi, wenn die Alarmanlage ohne Unterbrechung lärmt?


Antwort: Weiß ich noch nicht genau, aber sie hat mich heute morgen um 8 Uhr geweckt und seitdem nicht mehr aufgehört zu bimmeln.

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Tröste dich, bei mir in Spanien war das nicht besser. Wenn du durch die engen Gassen gelaufen bist, dann hast du es plötzlich 2mal hupen gehört. Dann wusstest du und die anderen Verkehrsteilnehmer (sei es Fußgänger, Auto- oder Rollerfahrer, dass jetzt ein Roller oder Auto ungebremst über die Kreuzung fährt und du schnellstmöglich zur Seite springen solltest. Aber man lernt das sehr schnell zu orten. Die Autos halten auch erst, wenn du schon auf der Straße bist. Aber keine Panik! Man gewöhnt sich dran! :)
Lg, Simone

Melissa Weihmayer hat gesagt…

hallo du -- ich denke an dich

:-)