Samstag, 22. November 2008

Warum es sich manchmal lohnt, früh aufzustehen

Wird diesmal länger, bereit?
Geht los:

Ich wurde heute (Samstag, 22.11.) meines lecker entsonnenen Frühstücks beraubt. Ich hatte mir gestern vor dem Schlafen gehen Rührei mit Tomaten und Speck, dazu Kaffee, Brot und Joghurt als Start in den Tag ausgedacht. Klingt doch toll, oder? Eben. Aber essen durfte ich es nicht.
Der Grund allerdings, warum ich mir es nicht einverleiben konnte, ist ein ganz ein schöner.
Ich bin heute um 5:55 Uhr in der Frühe aufgestanden, um meine Wäsche zu waschen. (Nein, das ist nicht der Grund – abwarten.) Drei Waschmaschinen voll. Naja, und als ich gerade dabei war meine ehemals dreckigen Kleider aufzuhängen, hat mich Pawel entdeckt und gefragt, ob ich mitkommen wollte. Oder besser: Ich habe ihn total erstaunt gefragt, warum er denn schon wach sei. Und da hat er erzählt, dass ein paar Freunde und eher in Kürze nach Opole (deutsch: Oppeln) fahren würden. Ich hatte noch zehn Minuten: Also schnell geduscht, einen Rucksack eingepackt und eine Banane in die Tasche gesteckt und ade du schönes Frühstück.
Aber nicht weiter tragisch, denn, was soll ich sagen? Opole möchte ich ein wenig mit Heidelberg vergleichen – von der Größe und der diesen Städten eigenen Friedsamkeit her. Ein wirklich beschauliches Örtchen, zumal zu Beginn unserer Reise ein schöner, langsamer und herrlich weißer Schnee einsetzte, der den ganzen Tag bis jetzt anhielt. Wir waren vier an der Zahl. Pawel, zwei deutsche Mädchen (eine davon ist Sprachwissenschaftlerin! Und sie denkt über Bastian Sick das Gleiche, wie ich! Und sie kennt Bodo Wartke! Und Reinhard Mey!) und natürlich ich, als vierter im Bunde.
Ich bin Nummernschildfetischist, ich gebe es zu. Auf mich übt ein eigentlich eher belanglos wirkendes Nummernschild eines Autos eine faszinierende Heiterkeit aus, wenn es lustige Buchstaben verbindet. Beispielsweise: LOS (Landkreis Oder-Spree) – DU 123. Oder ähnliches. Allein deswegen war mir Opole schon sehr sympathisch. Hier heißt das Nummernschild: OP oder OPO. Beides regt zu nicht enden wollendem Brainstorming ein. ZB.: OP – AMA (OP – am Arsch). Oder OP – QRS. Toll!
Der Bahnhof in Opole (Versucht mal aus „Opole“ ein Adjektiv zu machen; aus „Oppeln“ viel einfacher: das oppelner Land – gibt’s echt) ist sehr niedlich. Ein aus dem Jahre 1900 stammender schlossartiger Bau der Neorenaissance (Ha, wer hat gedacht ich habe das selbst erkannt? ... Keiner? Ok, stimmt, ist aus dem Reiseführer… .) in tollem Rot gehalten und weit weniger prunkvoll als dieses Riesen wilhelminische Ding in Wroclaw.
Wir sind durch die Fußgängerzone getengelt, und haben ein Denkmal gesehen, dass den Kämpfern von 1920 gewidmet war, die, als Opole und Umgebung per Volksentscheid zum Deutschen Reich gehören wollten dagegen vorgegangen sind und das Polentum etablieren wollten. Behaltet bitte diese Herrschaften kurz im Hinterkopf, sie finden gleich noch einmal Erwähnung.
Vom Denkmal aus ging es zu einer beschaulichen und sehr hellen Kirche. Ich bin ab heute der Meinung, dass man Weihrauch als Kraut zum Kochen einsetzen sollte. In der hellen und wohl duftenden sowie warmen Kirche liegen außerdem die letzten Piasten begraben – eines der großen polnischen Adelsgeschlechter, neben den Jagiellonen. Außerdem heißt heute ein sehr widerliches Bier „Piast“. (Was nicht weiter auffällt, denn die meisten polnischen Biere würden in Deutschland als „unbekömmlich“ eingestuft werden; natürlich mit Ausnahmen). Zurück nach Opole. Als wir die Kirche verließen, war sowohl die Sonne, als auch ein eben noch vor dem Kirchturm stehender Zaun verschwunden. Dafür schneite es wieder heftiger und die Kirche bot ein besseres Motiv. Jetzt rufen wir uns bitte die „Helden des Kampfes für das Polentum“ ins Gedächtnis zurück, denn ich bin der Meinung, dass diese Leute weder ein Denkmal, noch irgendeiner anderen positiven Erinnerung verdienen. Nicht weil sie gegen ein 90%iges Votum ihrer Mitbürger vorgingen, sondern weil sie es geschafft haben, einen Teil der Stadt total zu verhunzen. Es steht nahe dem Zentrum ein Turm, der im Mittelalter Bestandteil einer Wehranlage war. Eine sehr interessante und auch sehr schöne Ruine, allerdings haben die 1920er Hitzköpfe rundherum Amtsgebäude gebaut, die so hässlich sind, dass ich sie nicht fotografieren konnte. Und deshalb bin ich der Meinung, dass das (ebenfalls potthässliche Denkmal) absolut fehl am Platze ist. Basta.
Unsere Besichtigungstour führte uns in ein beschauliches Museum, in dem ich meinen hoffnungslosen Charakter des Romantikers dingfest gemacht habe. Es war ein altes Wohnhaus, und eingerichtet wie … ein altes Wohnhaus. Eigentlich nichts weiter aufregendes, aber diese Küchen und Wohnzimmer, die detailverliebte Darstellung des Lebens in diesen Räumen und dazu der Schnee, der sich draußen leise auf die Fenster setzte waren einfach zuviel für mich. Wie gerne hätte ich in Urgroßvaters altem Sessel gesessen, Pfeife schmauchend die neueste Ausgabe von Goethes Gedichten gelesen, während mir meine Frau eine frisch gemahlene und gebrühte Tasse Kaffee in dem herrlichen Kaffeeservice auf mein hölzernes Tischchen stellt, und die Kinder mit dem Baukasten das Bahnhofsgebäude nachbauen. Ich war total hin und weg, und hätte beinahe ein paar Tassen und ein total kitschig-scheußliches Gemälde mitgenommen.
Die Ausstellungsgegenstände waren zum größten Teil deutsche Ware. Man las „Kaffeebecher“, „Waren aus deutscher Eisenherstellung“, deutsche Bücher standen in den Regalen usw. Alles Zeugnis dafür, dass Opole schon immer auch eine große deutsche (deutschstämmige) Bevölkerung hatte, und immer noch hat. Sogar im Sejm (dem polnischen Parlament) hat die deutsche Minderheit Vertreter und Ortsschilder in der Region sind zweisprachig.
Von diesem niedlichen Museum ging es zu einem weitaus massiveren und modernern, was aber meiner Meinung nach nicht weiter erwähnenswert ist. Seltsamer Weise fanden wir im Keller eine Ausstellung zur Elektronik an. Dort sah man die Entwicklung der heutigen X-Box und/oder PlaySation. Ein Exponat steht bei uns in der WG – das gute alte N64.
Nach diesem Kulturschock musste erst einmal gespeist werden, und zwar polnisch. Die im Reiseführer aufgelisteten Lokale waren bis auf eines selbstredend alle geschlossen und standen zum Verkauf. Jedoch war das geöffnete keine Enttäuschung. Zwar aßen wir nicht polnisch sondern preiswertes Wiener Schnitzel, aber dafür war jedes so groß wie mein Kopf. Und lecker und absolut sättigend.
Den Abschluss bildete ein Besuch in der zweiten wichtigen (aber leider nicht so hellen) Kirche der Stadt und außerdem beehrten wir noch ein Café mit unserer Anwesenheit. Dort gab es Kaffee aus 40 verschiedenen Ländern. Mit verdammt viel Koffein.
Am Bahnhof mussten wir noch 40 Minuten wegen Verspätung warten (Ein Schnellzug, an dem unglücklicherweise auch Waggons der Deutschen Bahn hingen – Ich frag erst gar nicht, wer oder was an der Verspätung Schuld war) und schlussendlich nahmen wir dann doch einen polnischen, nicht verspäteten Zug. Der fuhr zwar bedeutend langsamer, aber wenn man sechs Stunden Zugfahrt (Wrocal-Berlin) gewohnt ist, kommen einem 90 Minuten wie ein Fast-Food-Restaurant-Einfall vor. Und außerdem konnte ich mich hübsch per Reiseführer auf den jetzigen Blog vorbereiten.

Ich mache jetzt einen Sprung nach hinten in der Chronologie. (Was mich an Geschichtsbüchern oft stört – kann man nicht Vermerke machen wie: „…später noch von Bedeutung…“ oder „…hatte großen Einfluss auf ein späteres Ereignis ..“?) Aber gut, ich schreibe nicht Geschichte, sondern eine Geschichte.
Von Samstag (15. Nov.) bis Dienstag (18. Nov.) hat mich Fabian besucht. Viel zu kurz, wie ich find, aber ich habe mich total gefreut, dass er gekommen ist, und ein paar Neuigkeiten von zu Hause mitbringen konnte. Wir haben die Zeit hier mit Stadt angucken und Cafés testen verbracht und an einem Abend unmerklich ein bißchen zuviel getrunken, was sich am nächsten Morgen an mehreren leeren Bierdosen und einer fast zur Gänze geleerten Flasche Wodka erkennen ließ. Dafür wurden wir zum Teil aber auch mit einem kleinen Kater bestraft. Die kleinen Sünden … . Aber das war nur an einem Abend. (Klar, den Rest der Zeit mussten wir uns ja davon erholen.)
Diese Woche war für mich sehr ereignisreich. Ich hatte wieder einmal die Möglichkeit alle meiner gewählten Kurse zu besuchen, und war gespannt, ob sich dieses Vorhaben realisieren ließe. Ich nehm’s vorweg: Nein. Zwei der Fünf Kurse fielen ohne Ankündigung aus. Wozu haben sich die Dozenten unsere Emailadressen geben lassen? Zum Spionieren? Ich glaube fast ja, denn diese krankhafte Sucht nach Überwachung, die mir schon in Moskau tierisch auf den Nerv gegangen ist, ist hier ebenfalls noch weit verbreitet. Sei es, dass man immer seine Karte vorzeigen muss, wenn man ins Wohnheim will oder ob im Museum registriert wird, wie viele Leute wann und in welcher Aufmachung die Ausstellung betreten, und wann sie sie wieder verlassen. Und das sind noch harmlose Beispiele. Mein Favorit ist in dieser Kategorie der Gäste-Check. Wenn man als Gast ins Wohnheim will, muss man dies erstens vor 22:00 Uhr machen und zweitens eine „ID“ an der REZEPTION (ja, ich spreche von Studentenwohnheimen) hinterlassen. Wenn man nach 22:00 Uhr hinausgeht, muss man bezahlen.
Wie dem auch sei, zwei meiner Kurse sind ausgefallen. Hoffentlich klappt es nächste Woche. Einen abgesagten Kurs habe ich genutzt, um die erste Strophe von Puškins „Zimnaja Doroga“ an die Tafel zu schreiben. Schön groß – in Polen sind Russen nicht gerade sehr beliebt. Harhar. Kleine Rache.
Außerdem hoffe ich, dass meine Tandempartnerin bald gesund wird. Eine zweite steht schon in den Startlöchern. Nachdem sie mich beim ersten Treffen 45 Minuten im Kalten hat stehen lassen, um dann nicht aufzutauchen, haben wir ein zweites für Montag geplant.
Falls ich da ebenfalls länger warten muss, kann das so schlimm nicht werden, denn ich war shoppen! Jawohl, ich habe Wintershopping gemacht. Und das zu einem perfekten Zeitpunkt. Nämlich genau dann, als es noch warm genug für meine Halbschuhe war, aber nur einen Tag vor dem Kältesturz. Seit Freitag frieren wir uns nämlich den Allerwertesten ab. Es ist wirklich kalt, und gestern gab’s den ersten Schnee. Natürlich als ich mit meinen neuen Stiefeln draußen am Fluss stand, um den letzten Barsch an Land zu ziehen.
Die Stiefel habe ich am Donnerstag erworben. Ich bin ein bißchen stolz auf mich, weil ich eine unglaubliche Energie für den Preisvergleich an den Tag gelegt habe. Mehrere Geschäfte habe ich terrorisiert und dann ein paar für 26 Euro gefunden! (Der Zloty befindet sich offensichtlich im freien Fall.) Des Weiteren gab es eine Wintermütze für knapp Drei Euro und ein Glas Wein in einem super Café, um meinen Erfolg zu feiern. Allerdings habe ich noch keine Handschuhe gefunden. Die Dinger kosten selbst hier um die 20 Euro, und das finde ich für ein bißchen Leder, das wie ein paar Würste geformt ist ein wenig viel. Oder? Sind Handschuhe echt so teuer? Ich meine Stoffhandschuhe, klar, die gibt’s für Drei Euro. Aber die sind nach der ersten Schneeflocke nass und dann kalt – womit sie ja ihren wärmenden Effekt wohl eindeutig verlieren. Muss ich meine Anforderungen an den polnischen Markt herunterschrauben? Ich werde weiter suchen.

Ihr habt es fast geschafft, aber ich habe noch eine kleine Frage und will noch ein paar Bilder zeigen. Zunächst aber die Frage:
Hat jemand Erfahrung mit Franzosen? Männlichen, meine ich. Ich weiß nicht so recht, wie ich meinem Franzosen Manieren beibringen soll. Wie macht man das am elegantesten? Ich will ihn mir ja nicht vergraulen, weil ich noch ein Jahr mit ihm zusammen leben werde. Aber wie sage ich beispielsweise, dass man beim Essen nicht unbedingt schmatzen muss? Oder dass es am Klo eine Spüle gibt? Ganz zu schweigen von der hygienisch sehr tollen Möglichkeit sich hinzusetzen. Wie bringe ich ihm bei, dass angebissene Brötchen im Schrank eine eher unappetitliche Überraschung sind, und dass es nicht immer einfach ist, bis nachmittags um 14:00 Uhr sein bestes zu geben, um keinen Krach zu machen, damit der Herr nicht aufwacht? Wie sage ich, dass blutiges Fleisch einfach nur widerlich ist und rohe Eier nicht sehr gesund (besonders polnische)? Oder ist diese Kritik unberechtigt? Ist das mein Ordnung liebendes deutsches Ich? Habe ich das Recht ihn in seiner persönlichen Freiheit einzuschränken?
Gut, wer mich kennt weiß, dass ich nicht der ordentlichste Mensch bin, und für die (zugegebenermaßen mangelnde) Sauberkeit in unserer Küche bin ich auch verantwortlich. Aber ich schließe die Tür, wenn ich aufs Klo gehe, und benutze nicht nach jedem zweiten „normalen“ Wort ein Schimpfwort. Also wer Anregungen und Ähnliches hat bitte an: Rob_meets_Topper@web.de. Und das gilt nur für den Franzosen männlichen Geschlechts. Die Französinnen haben höchstens ein paar unappetitliche Essgewohnheiten, aber mit denen muss ich ja nicht zusammen leben.

Herzlichen Glückwunsch, ihr habt es bis ans Ende geschafft. Zu Guter Letzt noch ein paar Bilder, quasi als Bonbon. Da ich leider die technischen Möglichkeiten des Blogs noch lange nicht bis zur Gänze erforscht habe, folgen zunächst die Beschreibungen und dann die Bilder, von oben nach unten. Heißt im Klartext: 1) ist das erste Bild von oben, darunter folgt 2), dann 3) und so weiter. Ist klar, oder?
Viel Spaß:

1) Melissa in Berlin vor ihrem neuen Kleiderschrank. Haben wir zusammen
aufgebaut, High Five Melissa!
2) Fabian war hier! Ok, das Bild kann überall entstanden sein, aber glaubt mir
einfach!
3) Ein leerer Vorlesungssaal ganz für mich allein. Hab mich ans Rednerpult
gestellt. Hat mir außerordentlich gut gefallen.
4) Ich in Opole mit Schnee.
5) Meine neueste Errungenschaft: Der Stiefel. Nein, also es sind zwei Stiefel,
klar. Ich hätte euch auch gerne meine Mütze gezeigt, aber ich habe gestern
dummerweise mein Zimmer aufgeräumt und seitdem liegt die Mütze nicht mehr an
ihrem Platz. Außerdem fehlen: Angelhaken, ein Wörterbuch und zwei Stifte.
Wer eine Medizin gegen Schusseligkeit erfindet: Bitte zuerst an Anna und
mich schicken, wir testen gratis. Aber mal ehrlich, so langsam müsste ich es
doch wissen, nach 22 ½ Jahren: Zimmer aufräumen kann fatal enden, vor allem im Winter. Für die Ohren.
6) Sonneuntergang inklusive des Studentenwohnheims und der amerikanischen Botschaft. (McDonald’s.)
7) So, und zum Schluß grüßt ein Zwerg aus Wroclaw. Und was es mit diesen
kleinen Rackern auf sich hat erfahrt ihr beim nächsten Mal, wenn ich es
nicht vergesse. Ich muss es mir aufschreiben. … Verdammt … wo ist mein
Stift? …
















Noch ein paar in dieser Woche gelernten Fakten:
1) Bei Sturm keine vollen Bierdosen auf der Balkonballustrade abstellen. Die Fußgänger 13 Stockwerke tiefer werden es danken.
2) Socken sind vor dem Waschen unbedingt aus ihrem Knäuel zu befreien!
3) Im Winter kann es trotz Klimawandel sehr kalt werden.
4) Handschuhe sind dann unablässlich!
5) Eis ist glatt.
6) Wenn um 12 Uhr mittags dein Handy vibriert, ist es NICHT dein Wecker!


Und ob ich noch einmal nach Opole zurück fahren werde?
Na und !

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