Mittwoch, 10. Dezember 2008

Neues aus dem Land der Unfassbarkeiten

Beinahe hätte ich "Neues vom Räuber Hotzenplotz" geschrieben, weil die Titel sehr ähnlich klingen. Aber nein, natürlich muss es "Neues aus dem Land der Unfassbarkeiten" heißen. Wobei ich das gleich wieder relativieren muss. "Neu" ist das hier Geschriebene höchstens für jene von Euch, die die nun folgenden Erfahrungen noch nicht gemacht haben. Und "Land" ist auch ein wenig überzogen. Aus diesem "Land" kenne ich ja nur Breslau und Oppeln - ich meine Wroclaw und Opole - weswegen es vielleicht besser "Neues aus den beiden polnischen Städten der Unfassbarkeit" heißen müsste. Aber das klingt als Titel einfach scheiße. Und ein bißchen Lust machen muss ich auch. Außerdem sind die "Unfassbarkeiten" ganz reelle "Unfassbarkeiten".

Die erste Unfassbarkeit erwartete mich heute morgen, als ich mein Frühstücksbrot toasten wollte:


Für den, der das nicht sehr gut erkennen kann: Das ist mein Brot. Und auf dem Brot ist das Preisschild aufgedruckt. Moment: Das Preisschild wurde auf das Brot a u f g e d r u c k t. Das heißt, dass ich beim Kauf des Brotes dummerweise nicht geguckt habe, ob vielleicht der Sticker auf dem Brot ist oder nicht. Natürlich mache ich das immer (es liegt schließlich sehr nahe das Preisschild direkt auf das Brot zu kleben ... ) nur dieses Mal habe ich es leider vergessen. Da bekommt doch der Spruch "direkt vom Herrsteller" eine ganz neue Bedeutung. "Mit Liebe gemacht". Also ich finde das unfassbar.
Bleiben wir beim Essen. Das ist hier zwar eigentlich fast immer lecker, aber eben nur eigentlich. Verzweifelt suche ich Käse, der sich farblich und geschmacklich von einem Stück Papier unterscheidet. Oder ein anderes Beispiel:
Meine (äußerst liebenswürdige) Nachbarin Susan hat in der ersten oder zweiten Woche hier Fleisch gekauft. Gut, ich meine, man ist ja auch manchmal dumm. Sie hat es aus dem Supermarkt nach Hause gebracht und gleich zubereitet, und lag danach eine und eine halbe Woche mit eine Virenvergiftung zu Hause in Deutschland im Bett und wurde mit Antibiotika zugepumpt. "Moment", könnte manch einer jetzt sagen, "Gammelfleisch kenne ich vom Dönermann nebenan, das ist eigentlich immer ganz lecker!" Nun ja, da hätte ich dann noch ein Beispiel mit Eiern anzubieten. Als nämlich eine französische Freundin von uns sich eines Morgens vergnügt ein paar Eier zubereiten wollte, da schauten sie aus dem Ei, als sie es öffnete, ganz unvermittelt ein paar niedliche kleine Würmchen an. Ich wette, dass die Würmer genauso verdutzt geguckt haben wie das arme Mädel.
Was in Deutschland einen mittelgroßen Skandal und den Rücktritt ca. 50% aller Politiker auf Landesebene ausgelöst hätte, hat hier kaum das Wohnheim verlassen. Und das finde ich auch irgendwie unfassbar.
EIn Beispiel noch aus dem Alltag:
Die Fußgängerampel, die einen sicher über eine dreispurige Straßen, zwei Straßenbahnlinien und dananch noch einmal über zwei Straßenspuren führen soll, ist immer 14 Sekunden grün. Ich habe es gemessen. 14 Sekunden! Das reicht in der Regel, für mich als jungen (gutaussehenden, sportlichen, adretten, gutgekleideten) Mann um mich mit einem gewagten Hechtsprung auf die Insel zwischen den beiden Straßenbahnschienen zu retten. Was machen weniger sportliche Leute? Und was leider wirklich stimmt: Während die Fußgängerampel noch grün ist, wird die rechtsabbieger Spur für Autos ebenfalls grün. Ich werde deswegen JEDEN VERFLUCHTEN TAG MINDESTENS EINMAL ANGHUPT.
Wie unfassbar ich das finde, muss ich nicht mehr sagen.

So, nun wieder genug gemeckert. Ich muss diese germanische Seite noch irgendwie abschalten oder verdrängen oder so. Noch eine kleine Anekdote zum Ende. Neulich saßen wir zu viert durch einen seltenen Zufall im Zimmer von William und Pavel. Irgendwie kam es im Laufe des (zugegebenermaßen sehr niveaulosen) Gesprächs zu einer kleinen Englischlektion für Silvain. Wir wollten ihm die grundlegensten Fundamente des Englischen näher bringen, sprich die Phonetik. Sozusagen, wie man was auszusprechen hat. Hier der Dialog. Zum Einstieg: Silvain erzählte von irgendeiner Schifftour, und wir haben zunächst das Wort "Ship" - Schiff - nicht richtig verstanden (Silvain: "sheep"), worauf es zum Englischunterricht kam:

Silvain: "... So we were on that sheep."
Pavel: "Sheep? Oh you meant 'ship'!"
Silvain: "Yes, cheap."
Pavel: "No. Cheap means 'bonne marché'."
Silvain: "Sheep."
Pavel: "No, sheep is the animal."
Silvain: "Sheep".
Pavel: "No. Ship is s h i p like shit. Shit - ship."
Silvain: "Oh, sheet and sheep."
Pavel: "No. 'Sheet' is something different. Sheep, cheap and ship!."
Silvain: "Sheep, sheep and sheep!"
Pavel: "NO!"
Silvain: "Ah, it's all the same for me."
William: "How about live, life and leave?!"
Silvain: "Leave, leave and leave."
William: "Ok, never mind."

Aber wer bin ich eigentlich, dass ich mich über die Aussprache anderer Leute lustig mache? Ich meine, mein Polnisch ist auch jenseits von Gut und Böse. Ich studiere jetzt 2 Jahre Slavistik, und habe immer noch nicht dieses sexy Zungenspitzen - r drauf. Weswegen dann jedesmal, wenn ich ein schönes "kurrrrrrrrrwa" verlauten lassen will, es wohl klingen muss, als würde ein nicht-deutschsprechender so etwas wie "Scheize" sagen. Wenn ihr versteht.
Und dieses Polnisch ist einfach zu krass. Ich habe da eine sehr gute Theorie: Die Polen waren SO DERMAßEN sauer auf alle angrenzenden und nicht angrenzenden Staaten (ihrer Geschichte wegen), dass sie sich zur Strafe eine höllisch schwere Sprache ausgedacht haben. Die kein Normalsterblicher einigermaßen vernünftig aussprechen kann oder gar verstehen wird. Das ist quasi die kleine Rache.
Und das ist ja wohl dann auch irgendwie ... äh ... unfassbar.